Schwarz steht mir nicht

27. Pflüger Triahtlon, Harsewinkel (+++ Regionalliga +++)

Zu zweit standen wir an der Bahnregistrierung.
„Wir haben nur noch eine Badekappe, aber hier ist doch bestimmt einer, der…“, der Blick der Bahnzuteilungsfachfrau fiel auf meine 2mm-Haarpracht, „genau! Du kannst auch gerne ohne Haube starten.“
Dass dieser Moment weitreichendere Auswirkungen als das reine ‚Wassgefühl‘ beim Schwimmen haben sollte, hätten sich höchstens die Autoren des „Butterfly Effect“-Drehbuches denken können.
… wobei – ne, ich fürchte nichtmal die!

Kurz zuvor hatten wir, also Freddy, Kai, Andreas und ich mit den insgesamt 8 Chips (Radhelm und Laufschuh) ein wenig Roulette gespielt, den CheckIn hinter uns gebracht, die Wechselzone verlassen und waren zum Warmlaufen aufgebrochen.
Freddy, Kai und ich steuerten eine (sehr idyllische) Wohnsiedlung an und joggten plaudernd die Wege ab. Beim dynamischen Dehnen musste ich der Sonne Tribut zollen und mein Baumwoll-Shirt ausziehen, wollte ich nicht komplett dahin schmelzen… ich fürchte die Anwohner werden noch lange von dem erwachsenen Mann, mit rasierten Beinen, der in einem hautengen Einteiler einen ‚Ausdruckstanz‘ aufs Parkett legte berichten…
Aber hey: Es stand dick ‚Köln‘ auf meinem Hintern – und Klischees müssen geplfegt werden!

Zurück zum Schwimmen.
Ich bin zwar noch immer nicht wirklich schnell im Wasser, aber schneller. Und so langsam bringt mich das, wie ich in Buschhütten und Hagen feststellen musste, in raue Gewässer in denen ich mich durchaus gegen andere Teilnehmer zur Wehr oder besser: Verteidigen muss.
Letztes Jahr bin ich ja noch stehts allen Ärger aus dem Weg gehend dem Feld hinterher ge(see)gurkt.
Heute hatten wir wieder ein paar 13er und einen 14er auf der Bahn. Die beiden hatten den grandiosen Vorschlag, dass sie direkt links starten, damit sie unkompliziert wenden können und ab da wie alle in Fahrtrichtung rechts schwimmen. Klang plausibel und alle stimmten zu. Dann gabs eine Leistungslücke und schließlich uns 17er, 18er und einen 19er.
Letzterer meinte tiefenentspannt „Schwimmt ihr mal vor, mir macht das nix aus als letzter zu starten“, worauf einer der 17er entsetzt antwortete „Waaas?! Das ist hier Ligawettkampf, danach kommt schon Olympia!“ … und genauso, mit dem Klappmesser zwischen den Zähnen, ging die Meute analog zum Startschuss hoch!
Ob die 13er wirklich 13er waren… keine Ahnung, aber die 18er und 17er taten alle so als seien sie 13er und im Endeffekt ballerten durchweg alle, der tiefenentspannte 19er eingeschlossen, wie die Wahnsinnigen der 50m entfernten Betonwand entgegen. Und dort gabs für einen kleinen Augenblick eine feine Keilerei, die mir einen Schlag vor die Schulter und 2 blaue / abgebrochene Fingernägel einbrachte und schon brodelte das Feld wieder der Ausgangswand entgegen, wild quer über die Bahn verteilt gabs natürlich wieder ein heilloses Durcheinander an der Wende – von wegen in Fahrtrichtung rechts – wobei ich diesmal einen Fusstritt vor das Nasenbein auf die Habenseite verbuchen konnte. Das wiederholte sich sage und schreibe noch 4mal, bis sich endlich soetwas wie eine Reihe bildete, nur mein Vordermann war mal wieder mittig unterwegs… Überholen unmöglich.
Als wir schließlich überrundet wurden kassierte mein Vordermann endlich (ich wünsche ja niemanden etwas böses, aber ging mir schon a weng das Herz auf) mal selbst Prügel und musste an der folgenden Wende innehalten und Luft holen.
So kam ich endlich auch an dem Kollegen vorbei und konnte frei in meinem Rythmus innerhalb von 2 Bahnen die 15m Lücke zum nächsten Vordermann schließen. Gerade als ich überlegte ihn auch zu überholen bekamen wir das Rote Brett in die Wende gehalten – die letzten 100m standen an… ok, also schonmal innerlich aufs Wechseln vorbereiten.

Wo steht das Rad?
Aus dem Zulaufkanal raus und 1. Reihe schräg rechts, hinteres Drittel, rechte Seite
Wo gehts zum Aufstieg?
Die Reihe wieder zurück raus, dann rechts am Ausgang links und rauf aufs Rad.
Erste Kurve?
Nach ca 300m. Rechtskurve, leicht zu fahren.

Alles klar. Ich beendete die 1000m überraschend frisch und offenbar auch in neuer Bestzeit, denn gerade lief Andi mit einem „Super Karsten!“ an vor mir der Wechselzone entgegen.
Haube und Brille vom Kopf und… ach ne, hab ka keine Haube, also direkt los! (der findige Leser merkt bereits etwas!)
Mein Hauptaugenmerk lag beim Wechsel diesmal auf der Startnummer. Son Stunt wie letzte Woche in Hagen wollte ich nicht nochmal hinlegen.
Der Wechsel ging super flott und angefeuert von den Zuschauern stürmte ich mit Noho dem Radaufstieg entgegen.
Dabei fiel mir auf, dass irgendwas an meinem Hals schubberte: Die Schwimmbrille.
Ok, ist nicht verboten, aber schön ist anders und über den Helm, der jetzt verschlossen bleiben muss passt sie ohnehin nicht. Also ignorieren!
Die ersten 2, 3 Kilometer brauche ich wieder um die Oberschenkel einzufahren und ein Körpergefühl zu bekommen.
Danach gings dann los. Großer Gang, viel Druck und das Feld von hinten aufgerollt.
Irgendwann hatte ich Kai in Sicht und da er auch nicht gerade langsam unterwegs war, dauerte es schon bis ich mich an ihn herangepirscht hatte und mit einem Anfeuerungsruf überholen konnte. Besser gesagt die komplette Gruppe überholte.
Wenig später kam ein Typ mit Scheibenrad an mir vorbei geflogen. War ich echt so viel langsamer geworden? Außerdem: Ich war noch nie in einem Wettkampf überholt worden, ohne denjenigen direkt wieder zu kassieren.
So auch jetzt.
Kaum hatte ich den Typen wieder hinter mir gelassen, prescht Kai an mir vorbei und zog locker 10 bis 15m vorweg, gefolgt von noch einem grünen Fahrer und dem Scheibenmann…
Ich also wieder Hartgas und die gesamte Gruppe abermals deutlich hinter mir gelassen. Derart angepeitscht frästen wir uns an ziemlich vielen anderen vorbei und beendeten die erste Runde in einem ziemlich flotten Tempo.
Zu Beginn der zweiten Hälfte lag Kai einige Meter vor mir, als ich dann endlich mal klare Verhältnisse schaffen wollte. Immerhin schwirrte irgendwo weiter vorne auch noch Freddy herum und den wollte ich zumindest mal aus der Ferne in Aktion sehen – wenn ich ihn schon nicht erreichen konnte.
So ballerte ich wieder an Kai vorbei, der Grüne und der Scheibenmann waren zu diesem Zeitpunkt eh noch hinter mir.
Einige Minuten später nahm ich neben mir ein Motorrad wahr und weiter vor mir fuhr ein nicht ganz langsamer Triathlet. Allerdings merkte ich schon, dass er bereits jetzt die kommende Kurve ‚vorbereitete‘ indem er an den Basislenker griff. Ich aber würde sie wie gewohnt am Auflieger wegdrücken, also was tun? Vorbei oder Warten, Warten oder Vorbei?
Ein jäher Trillerpfiff vom Motorrad beendete meine Gedanken und ließ mich aufblicken. Eine weibliche Race Official trillerte mich an, um ihren Hals wedelten die Strafkarten, die Schwarze vorweg.
Das Motorrad gab Gas und entschwand nach vorn.
Ähm… Hallo?!
Was soll das denn jetzt?
Und überhaupt: Muss die mich nicht mit Startnummer ansprechen, wenn sie mich bestraft?
Schwarze Karte… war doch Disqualifikation, oder?
Vielleicht kann ich sie ja fragen, direkt nach der Kurve schoss ich an dem anderen Triathleten vorbei und jagte dem Motorrad hinterer.
Das fuhr aber auch nicht gerade langsam!
Nachdem ich noch einige wilde Überholmanöver und Kurvenfahrten hinter mich gebracht hatte, gab ich die Verfolgung auf (das Motorrad hielt nämlich an einer Kreuzung) und betrachtete mein Rennen als beendet.
„Ok, Mist. Unbegründet, aber kannste nicht ändern“, ging es mir durch den Kopf, „also machste Intervalltraining auf abgesperrter Strecke und joggst nachher eine Runde aus“, war mein Plan B.
Also noch einen Happen Powerbar vom Oberrohr mit High5-Getränk runtergespült und dann den ganz dicken Gang rein und mal ordentlich Druck auf die Kette.
Natürlich brachte mich dieses Tempo noch weiter nach vorn im Gesamtfeld und da vorne erkannte ich den schwarzen Helm und das ASV-Logo: Freddy!
Ok, kein Intervall, Tempodauerbelastung!
Einen Gang zurück, aber immer noch so bei ca 44 – 49km/h (ja nach Windrichtung) hatte ich drauf, als ich seine Gruppe stellt.
Die zog dann leider voll mit und wie gesagt: Ich lass mich nicht gern überholen. Auf Sprint garnicht und nach der Karte hatte ich ja schon 2mal nichts mehr zu verlieren.
So schoss ich mir auf den verbleibenden 5 bis 6 Kilometer die Oberschenkel komplett weg, aber kam auch irgendwo auf Platz 6 gesamt und mit der schnellsten Radzeit des gesamten Tages zurück in die wechselzone: 40,53 km in 57:01 min !

Ich war gerade in die Laufschuhe geschlüpft und warf den Helm auf den Lenker, als Freddy und Kai eintrudelten. Ich konnte nicht anders und sagte nur „Ich hab Schwarz“, worauf Freddy nur etwas im Sinne von „Macht nichts, wir haben alle Zeitstrafe“.
Ach. Du. Scheiße!
Rot heißt Disqualifizierung.
Gelb und Schwarz sind Zeitstrafen.
Ich bin also noch voll im Rennen und hab meine komplette Taktik mitsamt Kraftreserven vor 10km aus dem Fenster geworfen…
Ok, ok, cool bleiben. Gel Schlucken, RedBull Powershot hinterher und Go! Go! Go!
Als erster unserer Dreiergruppe rannte ich zum Ausgang der Wechselzone und hier schlug der Schmetterling mir mit seinen Flügeln die Beine unter den Füßen weg:
Die Schwimmbrille hatte ich komplett vergesen, aber jetzt wollte ich sie loswerden!
Mist, das Ding hat sich in meiner Kette verheddert… schnell entwirren – irgendwie – gelang es mir.
So riss ich sie mir vom Hals und feuerte sie in die Hecke, verließ die Wechselzone und – sah meine Halskette mit Yasmins Ring an mir vorbei fliegen und im Gras verschwinden.
Wie vom Donner gerührt blieb ich stehen.
Die Kette fand ich – der Ring, blieb verschwunden.
Freddy rannte an mir vorbei.
Ich suchte.
Kai rannte an mir vorbei.
Ich suchte.
Alle rannten an mir vorbei.
Ich suchte.
Verzweifelt.
Nach einer gefühlten Ewigkeit kam ich wieder zu mir. Ok, du kannst jetzt hier suchen – aber würde das dein Team verstehen?
Vielleicht, wahrscheinlich sogar… aber willst du sie überhaupt in so eine Position bringen?
Sicher nicht!
In 5m Abständen gab es hüfthohe Betonpöller, auf den nächsten legte ich die Kette als „Markierung“ und rannte weiter.
Freddy hatte die anschließende 400m Bahn schon zu 3/4 hinter sich… ok, Mist… aber schaffst du!
Als ich meinen Bruder mit seiner Kamera sah, brüllte ich ihn noch zusammen er soll den Ring am Pfosten suchen.
Klar hatte er keine Ahnung welchen „Pfosten“, er suchte trotzdem (leider an den Fussballtoren, weil „Pfosten“) aber vergeblich.
Freddy hatte ich überraschend schnell ein.
Bei der 1km-Markierung fiel mir auf, dass meine Uhr nicht gestartet war und korrigierte das.
In meinem Hinterkopf hörte ich Freddy und Jenny vor dem Start scherzen „Wann startet ihr?“, fragte er.
Jenny antwortete „14Uhr … und ihr?“
„14:30 Uhr … Die Jagd ist eröffnet“
Ob wir tatsächlich 30min Vorsprung einholen konnten? Ich sicher nicht, aber auf der Laufstrecke begegenen könnten wir uns.
Es folgte ein sehr schmerzhafter, sehr vordernder und aufgrund der Angst um mein wichtigstes Erinnerungsstück an meine liebe Yazzy auch sehr ‚mentaler‘ Lauf.
Und tatsächlich konnte ich auf der ersten Runde Jenny überholen und anfeuern und kurz vor dem Ende meiner ersten Runde (wahrscheinlich) Manuela.
Die letzten 8,77km hatte ich in 33:50min runtergerissen, plus 3:50min für den ersten Kilometer und die Suchzeit… besser als erwartet und immerhin noch Platz 10 gesamt!

Das (für mich) Wichtigste Vorweg: Direkt im Ziel riss ich mir den Schuh mit dem Zeitchip vom Fuss und rannte zu dem Pöller mit der Kette. Keine 20Sekunden später hielt ich den Tränen nahe den Ring in meinen Händen!

Aus sportlicher Sicht… naja, Harsewinkel hat eine berüchtigte Radstrecke: Eben und geradeaus. Kann halt jeder und Grüppchen bilden sich dabei offenbar zwangsläufig.
Mit 2mal 4min Zeitstrafe für Freddy und Kai (im Nachhinein stellte sich heraus, dass ich keine Strafe sondern nur eine ‚Verwarnung‘ bekam) trotzdem noch Gesamtplatz 4 in als Team ASV Köln I – das kann sich schon noch sehen lassen – der Rest ist Spekualtion gegenüber einer Tatsachenentscheidung. Da kann man auch ne Wand anbrüllen, das hat denselben Wert.

Damit hake ich diesen Renntag für mich als „unnötig aufregend, aber nicht völlig schlecht“ ab,

Euer Karsten

Der Wettkampf in Zahlen:

Regionalliga, Harsewinkel (1,0 / 40 / 10)

Team ASV Köln: Platz 4/18

Kai: 1:55:58h, Platz: 23 (inkl 4min Strafe)
Andreas: 1:57:39003h, Platz: 27
Freddy: 1:59:40h, Platz: 39 (inkl 4min Strafe)

Karsten: 1:53:37h, Platz: 10
S: 0:17:22h (52,1sek/50m)
T: in "S"
B: 0:57:13h (42,65km/h)
T: in "R"
R: 0:39:02h (3:54min/km)

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