Riders on the Storm

„Wenn man um 19:30Uhr nicht wie geplant zum Vereinstreffen fährt, sondern zum Nüchternlauf aufbricht, ist zwar in der Tagesplanung einiges schief gelaufen, aber das heißt ja nicht, dass der Tag per se scheiße war.“
Hmm, nee. Nicht griffig genug!
Ein paar Regentropfen trafen mich ins Gesicht.
„2 Stunden länger als geplant auf Arbeit, nicht zum Spinning gekommen, Vereinstreff versäumt und stattdessen 10km durch den Regen gejoggt, wie nennt man das? – Happy End!“
Hmmm. Schon besser.
Ein paar Mal ließ ich das durch meine Hinrwindungen wandern, verwarf es aber ebenfalls.
Meine Garmin vibrierte am Handgelenk. Kilometer 7, Puls 145, Pace 5:00 glatt.
Das läuft ja schon wieder ganz gut, vor allem mit der beruhigenden Gewissheit, dass ich auch schon wieder im niedrigen 4er-Schnitt auf 21km unterwegs sein könnte, wenn ich denn wollte.
Heute will ich aber nicht!
Heute will ich genießen – und nebenbei etwas für meinen Fettstoffwechsel tun.
Der Regen nahm zu, als ich meine 1,5km-Runde am Rhein abermals neu begann.
Hier sind nichtmal mehr Menschen mit Hund unterwegs.
Nur ich. Ich alleine.
„Training ist das was du machst, während deine Gegner schlafen!“
Schon besser – wer hat das noch gleich gesagt?
Prefontaine?
Ich kam nicht drauf.

Wenn ich schon einen Trainer hätte, könnte er heute sicherlich stolz auf mich sein! Dem Wetter zum trotz das Trainingsziel (90min GA1) eiskalt angegangen und auf dem besten Wege es durchzuziehen.
Noch bin ich aber mein eigener Trainer.
„Der Vorteil, wenn man sich selbst trainiert: Der Trainer verlangt nichts, was er nicht selbst machen würde. Der Nachteil ist, dass man niemanden verfluchen kann, während man es macht!“
Das hat was.
Abermals bog ich wieder auf meine Runde ein.
Das muss ich mir jetzt nur irgendwie behalten, bis ich zu Hause angekommen bin.
Kilometer 9, Puls 147, Pace 4:55.
Der Regen nahm immer weiter zu. Aber er war nicht kalt. Noch nicht.
„Es wird Herbst, der Regen wird kälter!“, ratterte mein Hirnticker die nächste Schlagzeile raus.
Joaa, aber das mit dem Trainer war besser.
Schräg über mir leuchteten die Fahrzeugscheinwerfer auf der A59.
Kilometer 10, Puls 143, Pace 5:00
Ganz unerwartet schwoll der Regen von „leichter Herbstschauer“ zu „Alles zur Arche, es geht los!“ an. Für einen Moment war ich versucht umzukehren. Aber es sind ohnehin 4km bis zu meiner Haustüre… ich würde so oder so klatschnass zu Hause eintrudeln.
Also kann ich auch noch eine oder zwei… drei… Ründchen laufen.
Nach wenigen Metern klebte mir die Laufjacke am Rücken, das Wasser lief mir über die Stirn ins Gesicht, der Wind war erträglich und sogar fast angenehm warm.
Ich grinste über beide Ohren: Noch eine Runde!
Tänzelnd umging ich die größer und tiefer werdenden Pfützen auf dem Weg.
Der Regen hatte erheblich nachgelassen, nur der leichte Gegenwind blieb.
So könnte es von mir aus eeewig weitergehen!
Kilometer 11, Puls 150, Pace 4:50
Unglaublich wieviel Kraft der Körper aus einer handvoll Pistazien und Wasser schöpfen kann – wenn man ihn denn darauf trainiert.
Dieses Low-Carb / High-Fat … zuerst war ich ja skeptisch statt Nudeln ohne Sauce von nun an Sauce ohne Nudeln zu essen. Aber hey: Man lernt nie aus und schließlich…
Es knacktre und brummte kurz in meinen Ohrhöhrern. Der Weg vor mir lag für den scheinbar ewigen Bruchteil einer Sekunde grell erleuchtet vor mir. Direkt über dem Rheinbogen zog sich eine strahlend weiße, leicht gezackte Lichtsäule aus dem Himmel bis zur Erde.
Instinktiv begann ich zu zählen: Ein-und-zwan-zig-zwei-und-zwa…
Es schepperte derart laut, dass ich unwillkürlich den Kopf einzog und zu straucheln begann.
Keine 600m vor mir war ein Blitz eingeschlagen!
Auf dem Absatz machte ich kehrt und rannte als sei der Leibhaftige hinter mir her.
Ok, kurz nachdenken. Hier unten kam der Wind leicht aus Nord, weiter oben kann das natürlich durchaus anders aussehen, ich laufe mit Hackengas nach Süd, tendenziell kommt das Gewitter also auf mich zu.
Der Regen wurde weiter schwächer.
Ein gutes Zeichen!
Arme mitnehmen, Körper aufrecht und Kniehub.
Meine Uhr piepste und vibrierte. Willkommen im 4:00er-Schnitt.
Ich bog ab zur Pontonbrücke über die Wupper, Kurs Ost.
Der Regen holte mich wieder ein.
Auf der Brücke stand das Wasser teilweise mehr als knöchelhoch, unter meinen schnellen schritten spritze es mir bis an die Hüften.
Ich unterquerte die A59, für einen Moment wollte ich stehenbleiben und abwarten, aber hier unter der Brücke plästerte ein eiskalter Wind.
Weiter!
Vielleicht war es auch nur ein einzelner… genau als ich unter den Hochspannungsmasten her lief, leuchtete und schepperte es abermals, diesmal offenbar schräg hinter mir.
Es war nur ein Augenblick hell, aber dennoch nahm ich die dampfenden Stromleitungen über mir bis ins Detail war.
Ich zog das Tempo weiter an und lief in den Hohlweg neben der A59 ein.
Meine Uhr vibrierte, piepste und leuchtete auf: Willkommen im 3:30er Schnitt!
Ausgangs des Hohlweges sind es noch genau 2000m bis zu meiner Haustüre.
Etwas über 7 Minuten die Zähne zusammenbeißen und alles wird gut.
Als ich wieder freien Himmel über mir hatte, hatte der Regen aufgehört und der Wind kam nun merklich aus Nord-West.
Das Gewitter würde also hinter mir in Richtung Osten abziehen.
Ich nahm Tempo raus, in der feuchten Luft dampften meine Beine unter mir…
Der Puls beruhigte sich überraschend schnell und ich trabte fast laut lachend in Richtung Rheinbrücke A1.
Irgendwer kippte mir Wasser auf den Rücken.
Gerade als ich mich umdrehen wollte, knirschte es wieder in meinen Ohrhörern und es schepperte laut hinter den Bergen der Bayerdeponoe, die sich hell erleuchtet von dem strahlend weißen aufblitzenden Himmel dahinter abhob.
Übrigens sehr schlau, dass ich mir 2 Kupferdrähte wie eine Antenne am halben Körper entlang direkt bis ins Gehirn, respektive die Ohren, verlegt habe… Nur um ganz sicher zu gehen, dass ein möglicher Blitzeinschlag auch garantiert größtmöglichen Schaden anrichten kann…
Mir hatte auch niemand Wasser auf den Rücken gekippt, der Platzregen setze wieder ein.
Sofort nahm ich wieder die Beine in die Hand – zu früh gefreut!
Fast kam ich mir vor wie George Cloony und Mark Wahlberg an Bord der Andrea Gale.
Jetzt zog ich voll an und spurtete nahezu das letzt Stück an der Wacht am Rhein den Damm hoch – im 3:50er Schnitt und nahe der HFmax, wie mir anklagend die auf GA1 eingestellte Uhr mitteilte.
Seis drum.
Die letzten 1000m in meine Siedlung waren dann wieder relativ unspektakulär und ich lief absichtlich gelassen durch den strömenden Regen an den offenen Türen und Mündern der Teestuben und Teestubengäste vorbei.
Man darf auch ruhig mal zeigen was man geleistet hat: 15km in 65min, größtenteils GA1

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