31. Internationaler Volkslauf mit Halbmarathon, Straberg

Glutsonne, lustige Rennschnecken und ein Wiedersehen mit Hacky

Kurz zur Vorgeschichte:
In unserem Mutterkonzern schießen seit 2010 die Lauftreffs aus dem Boden wie in Holland die Tulpen.
Finde ich eine gute Sache, denn dadurch kommen vielleicht Menschen zum Laufen, die sich sonst nie getraut hätten.
Leider ist es mir aber nicht möglich, montags um 16 Uhr trainingsbereit am Sportplatz zu sein, daher habe ich mich unserem Tochterkonzern-Lauftreff nicht angeschlossen (und sozusagen ’stattdessen‘ den Miep! Miep! gegründet).
Konkurrenz belebt eben nicht nur das Geschäft, sondern auch das Training!
Solange man im Ziel zusammen drüber lachen kann, ist alles okay.
Als Motivation und natürlich auch aus Werbegründen nehmen diese Lauftreffs an einigen regionalen Rennen teil.
So trafen denn am 24. September 2010 im Rahmen der „7 Meilen von Zons“ zum ersten Mal die Kollegen und ich aufeinander.
Überraschenderweise war auch ein Kollege dabei, der kurz zuvor in meine Abteilung ‚hineingeschnuppert‘ hatte.
Nennen wir ihn einfach mal „Hacky“.
Hacky ist ein wirklich lieber Kerl, wie ich Anfang 30, nicht auf den Mund gefallen, wobei er sehr gerne sehr viele Fremdwörter, deren genaue Definition er partiell jedoch nur rudimentär eruieren konnte, in möglichst komplizierte, und nebenbei bemerkt: syntaktisch fragwürdige, Schachtelsätze verbaut.
So halt – irgendwie.
Wäre man böswillig, so könnte man auch sagen „Der Hacky redet halt viel, wenn der Tag lang ist.“
Wie genau dieses erste Aufeinandertreffen vonstatten ging, und vor allem wer der Schnellere war, werde ich beizeiten einmal gesondert schildern.

Samstag, 4. Juni 2011, Dormagen-Straberg

Hier und heute sollte es also zu einer Neuauflage kommen.

Gegen Mittag ging es mit dem Coach, der günstigerweise in Dormagen wohnt, in ein Café, wo wir seit Langem mal wieder gemütlich quatschten.
Besorgt rief ich mit dem Smartphone immer wieder die Wetterdaten für Straberg im Internet ab.
Es war ein warmer Tag vorausgesagt worden und der Veranstalter hatte im Vorfeld auch bereits angekündigt bei Temperaturen über 25°C eine zweite Wasserstation für den 10km-Lauf einzurichten.
Der Start für meinen Lauf war auf 16 Uhr angesetzt: Eine Horrorzeit, um bei diesem Wetter zu laufen.
Aber zugleich eine gute Übung für den trierer Stadtlauf, denn da kanns auch recht mummelig werden.
So machten wir uns schließlich auf zum Sportlplatz.
Das Thermometer strebte bereits der 30°C-Marke entgegen, der in rheinnähe sonst allgegenwärtige Wind war kaum spürbar.
Die oft eingespielten Renn-Rituale Startnummer abholen, Start-Ziel-Ort abklären, Umziehen, Warmlaufen und Entspannen liefen mittlerweile wie von selbst ab und wirklich aufgeregt war ich ebenfalls nicht.
Vorgestern noch habe ich im Studio eine reguläre Einheit abgespult, da würde ich heute ganz sicher keine Bestzeiten abliefern. Erst recht nicht bei diesen Temperaturen.
Und so wunderte es mich nicht, dass ich beim Warmlaufen kaum aus dem Quark kam.
Die heutige Übung bestand vielmehr darin nicht bereits auf den ersten 4 Kilometern vollgas zu laufen, sondern den Fokus auf die zweite Rennhälfte zu legen.

Kurz vor 16Uhr stellte sich eine bunte Schar illustrer Figürchen mittig auf einem Feldweg auf, der Coach flanierte derweil durch das angrenzende Feld und plauderte mit einem mitstartenden Bekannten, den er zufällig getroffen hatte.
Scheinbar etwas überrascht wie schnell es doch 16Uhr werden kann, hielt der Kampfrichter unvermittelt die Pistole in den Himmel und drückte nach einem knapp dahergerufenen „Mal herhören: Fertig, Los!“ prompt ab.
Das Feld bestand aus 93 Startern, ich hatte mich unter den ersten 15 eingereiht und die ersten paar hundert Meter verliefen recht beschaulich.
Das übliche Eintraben, den Rythmus finden, sich im Feld Einreihen und so weiter.
Aber nach 700m wurde mir das mal wieder zu doof, ich blickte auf die Uhr und da war eine „4“ vorn bei den Minuten pro Kilometer – und sowas kann ich im Rennen ja gar nicht leiden.
Also zog ich gerade genug an, dass ich bei einer 3:50 landete und ließ Läufer um Läufer hinter mir.
Das Spitzenfeld entfernte sich weitaus weniger schnell von mir, als ich erwartete. Aber da über die gesamte Distanz mithalten kann ich sowieso nicht und so komplett aus dem Training herausgerissen schon zweimal nicht.
Der Lauf führte uns durch die Wälder und Felder der umliegenden Gegend.
Wir liefen also entweder durch die pralle Sonne, auf glühenden Asphalt, schnurstracks-geradeaus entlang der Felder.
Oder unter schattigen Bäumen, auf sandigen Waldwegen, im Gegenwind (der wohl durch den Tunnel-Effekt der Bäume entsteht?).
Nicht die abwechslungsreichste Rennstrecke, aber dennoch recht schön und vor allem: Nahe eben.

Nachdem ich ‚mein‘ Startpulk bereits bei Kilometer 1 hinter mir gelassen hatte, war ich wie bei den „9 Meilen von Leverkusen“ in eine Art Loch gerannt.
Mutterseelenallein lief ich vor mich hin, zog etwas das Tempo an und sah ab und zu kurz das Führungsfeld in der Ferne.
Dann endlich hatte ich das nächste ‚Pulk‘ erreicht.
100m, 150m und knapp 250m vor mir tauchte je ein Läufer auf.
Normalerweise beiße ich mich in solch einer Situation am übernächsten Läufer fest, aber dieser hier machte gar keinen guten Eindruck und so wurde er zuerst von meinem Vordermann und schließlich auch von mir überholt.
Da warens nur noch 2.
Jedenfalls an direkten Gegnern.
Ich schloss bis auf gute 50m auf meinen Vorläufer auf und begann mir zu überlegen, wie und wann ich ihn am Besten überholen würde.
Denn mit „Einfach vorbei laufen“ ist das bei weitem nicht getan. Die Meisten lassen das nicht so ohne weiteres zu. Halten plötzlich mit, laufen neben dir her. Du musst wieder gegenhalten und verballerst dadurch unnötig Kraft und Ausdauer.
Der Trick ist also den Gegner so zu überholen, dass er vom Kopf her gar nicht mehr mithalten will, oder eine Situation zu wählen in der er einfach nicht mithalten kann.
Für Ersteres braucht man Selbstvertrauen und etwas schauspielerisches Talent, für Letzteres einfach nur Glück.
So klebte ich ihm im Nacken, ließ ihn meine Schritte hören und wartete auf meine Chance.
Es gibt kaum etwas demotivierenderes, als ein gescheitertes Überholmanöver.
Das muss man mit Bedacht angehen.

Nach knapp 3km dann unverhofft die erste Getränke-Station.
Mein Vordermann riss dem Helfer gierig den Becher aus der Hand und auch ich ergriff ebenfalls dankbar diese 0,2 Liter kühles Leben.
Aber was macht der denn jetzt? Ich traue meinen Augen nicht: Der bleibt ja fast stehen und trinkt genüsslich!
Das ist meine Chance.
Wie gewohnt gönne ich mir in vollem Tempo nur ein, zwei kleine Schlucke Wasser, den Rest kippe ich mir auf das Kopftuch und zische ab.
Noch ehe der Andere den Becher vom Hals hat und wieder Fahrt aufnehmen kann, bin ich mehr als 200m weit weg.
Da war es nur noch 1.
Der hatte seinen Vorsprung inzwischen etwas ausbauen können.
Also ranbeissen!
Bei km 5 blickte ich auf die Uhr: Ganz knapp unter 20mins.
Richtig schnell ist das ja nicht. Wird Zeit den Joker auszuspielen und die wie geplant die letzten 5km schneller zu laufen, als die Ersten.
Ich beschleunigte.
Aber alles was ich beschleunigte war mein Puls, das Tempo änderte sich nur noch unmerklich.
Mist.
Kurz vor der zweiten Getränkestation hörte ich flotte, schnelle Schritte hinter mir.
Ist das etwa?
Kurz darauf wurde ich überholt.
Für einen Augenblick kam mir in den Sinn mitzuhalten, das Tempo zu erhöhen.
Nein.
Das wäre dumm, ich laufe gerade an meinem Limit, ich würde mithalten können, aber nicht lange und danach würde es richtig schwer für mich werden.
So ließ ich den Mann ziehen (es war zum Glück nicht mein ‚Gegner‘ von Getränkestation 1!) und beobachtete mit Genugtuung, wie er auch meinen direkten Gegner in Grund und Boden überholte.
Bei Kilometer 6 erreichten wir die nächste Verpflegungstation.
Wieder wenige Schlucke Wasser, wieder den Rest über den Kopf. Das Kopftuch hatte ich bereits ums Handgelenk gewickelt.
Die sonnigen Feldwege waren nun fast ausschließlich den schattigen, windigen und leider auch leicht ansteigenden Waldwegen gewichen.
In meinem Kopf ratterte es, der Puls bebte, die Lungen pumpten.
Kilometer 7.
Mein Hass-Kilometer sei eh und je!
Bis 5 ist alles noch ein großer Spaß, dann realisiert man, dass es gerade erst die Hälfte ist. Bei 6 hat man sich damit abgefunden und bei 7 will man eigentlich nur noch eines: Sich hinsetzen und was trinken.
Ein Radfahrer überholte mich.
Danke vielmals, das kann ich jetzt gebrauchen!
Eine dritte Getränkestation kam in Sicht.
Das muss eine Halluzination sein…
War es nicht.
Oh, welch Wohltat zur richtigen Zeit!
Bei Kilometer 8 sieht die Welt schon wieder ganz anders aus, ich fliege wieder den Weg entlang.
Knapp 150m vor mir mein Gegner.
Jetzt schonangreifen, oder Fotofinish?
Lieber letzteres versuchen. 2000m sind eine Ewigkeit, wenn ich ihn jetzt ‚wecke‘ weiß niemand wie der reagiert.
Es ging nochmals bergauf.
Genau 1000m vor Schluss wollte ich zum Sprint ansetzen.
Die Uhr piepste zur 9km-Marke – und der verdammte Weg stieg noch immer merklich an.
So ein Mist!
Bergauf-Sprint?
Also die Kuppe abwarten, die mein Gegner aber leider bereits erklommen hat.
Mit dem Erreichen der Kuppe gab ich Knallgas, alles was drin ist!
Aber -natürlich- mein Vordermann weckte so kurz vor dem Ziel auch ohne mein Zutun nochmal alle Reserven.
Ich hatte mich verkalkuliert, den Rückstand würde ich nicht mehr aufholen können.
Gerade als ich ins Stadion, 100m vor dem Ziel einlief, passierte er die Linie.

Egal, jetzt nicht zurückstecken, diese 100 Meter gehören nur mir!
Die Stimme des Stadionsprechers dröhnt mir aus den Lautsprechern entgegen:
„Und jetzt kommt wieder ein Läufer eines Vereines, den ich auch nicht kenne. Das ist Karsten von der LT Miep! Miep! Leverkusen.“
Ja, so muss das sein!

Meine Zielzeit war mit 40:03min für diese Umstände zwar noch ganz passabel, aber auch kein Weltwunder.
Im Gesamtklassement belegte ich damit Platz 8 von 93, in meiner Klasse M30 wurde ich 1 von 9.
Der Sieger erreichte das Ziel in 36:22min.
Alle Achtung, da war ich ja gar nichtmal so weit weg

Gerade als ich mich ein wenig Frisch machte, wurde Hacky angesagt.
Er erreichte als schnellster „Firmenläufer“ das Ziel knapp 8min nach mir.

Bei den Siegerehrungen machte vor allem ein Verein durch viele gut platzierte LäuferInnen, aber vor allem auch durch eine ausgelassene, gute Laune auf sich aufmerksam.
Die „Rennschnecken 2000 e.V.“, ein wirklich außergewöhnlicher Haufen aus Düsseldorf, die schon alleine durch ihren Namen und das Maskottchen auf meiner Linie zu funken scheinen.

Am Abend ging es dann mit einer trierer Freundin, die zufällig in Düsseldorf ein Seminar besuchte, lecker griechisch essen.

Alles in allem ein rundum gelungener Trainings-Wettkampftag!

Euer Dummschwitzer

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