11. EVL-Halbmarathon, Leverkusen

Streckenerkundung im Schnelldurchgang und ein neuer ‚Gegner‘

Sonntag, 19. Juni

Kurz nach 8 Uhr betrat ich die Kurt-Rieß-Sportanlage des TSV Bayer 04 Leverkusen. Die Temperatur lag bei ungefähr 14°C und leichten Nieselschauern.
Eigentlich perfekte Bedingungen für einen besonders schnellen 10km-Lauf, wenn da nicht der böhige und ständig drehende Wind wäre – und die Tatsache, dass ich nach meinem 5km-Bestzeitenlauf am Vorabend nur knapp 5 Stunden Schlaf gefunden hatte.

Die Organisation des Laufes war absolut einwandfrei: Vor dem Eingang der „Herbert Grünewald-Halle“ war ein kleines Zelt aufgebaut, in welchem man zum Einen die Startnummern abholen (was ich aber bereits am Vortage erledigt hatte), und zum Anderen das Gepäck für den Shuttle vorbereiten konnte.
Denn der 10km-Lauf war kein Rundkurs mit Start und Ziel in Opladen, wie der Halbmarathon-Hauptlauf, sondern würde uns entlang der Dhünn ebenfalls nach Opladen ins Ziel führen.

Um mich herum wuselten hunderte von Läuferinnen und Läufern umher. Viele von ihnen waren, den grellorangenen, weißen oder blauen Trikots nach zu urteilen, Angehörige der neuen Firmenlauftreffs und würden hier ihre Rennpremiere feiern.

Entsprechend aufgeregt ging es zu. Da wurden Fotos von Papa vor dem großen Startbogen geschossen, oder von Mama auf der Tartanbahn.
Ein Großteil stand jedoch wie bestellt und nicht abgeholt auf der Wiese umher und schien recht unsicher zu sein, wie das denn jetzt hier vonstatten ging.

Auf Bahn warmlaufen? Dazu musste die Moderatorin auf der Tartanbahn erst mehrmals aufrufen.

Die erfahreren Läufer spulten dagegen bereits ihre ‚Rituale‘ ab:
Bis zum letzten Moment die Jacke und lange Hose anbehalten, ein Blick auf die Uhr, den GPS-Empfänger klar machen, Nasenspray bereit halten, noch einen Bissen vom Energie-Riegel, langsam warmlaufen, kleine Steigerungen einbauen, Kurven- und Slalomlaufen, dann die langen Klamotten in die Tasche stopfen und diese zum Shuttle aufgeben, ein letzter Schluck aus der Wegwerf-Wasserflasche, der letzte Gang auf Toilette und schon waren es auch nur noch wenige Minuten bis zum geplanten Start.

Heute wollte und konnte ich nicht auf Bestzeit laufen, so ehrlich musste ich mir selbst und meinen müden Waden gegenüber sein.
Einfach mal ganz gemütlich mitlaufen und schauen wie es sich entwickelt, das war vorn vornherein mein Plan.
Hauptsächlich ging es mir darum die Strecke kennenzulernen, damit ich bei einer ‚ernsthaften‘ Teilnahme nächstes Jahr einen kleinen Vorteil hatte.
Den groben Streckenverlauf hatte ich mir gestern noch schnell im Internet angeschaut – und war daher auch bereits jetzt ohne große Erwartungen, oder Vorfreude am Start.
Aber dazu nachher mehr.

Der Startschuss fiel – und da ich mich meiner Zielsetzung entsprechend weiter hinten eingereiht hatte, tat sich lange Sekunden erstmal gar nichts. Dann ging es Schritt für Schritt auf den Torbogen zu und schließlich unter ihn hindurch.
Neben mir sah ich die Startmatte auf dem Boden.
Moment mal!?
Die reicht ja gar nicht über die gesamte Breite. Schnell tat ich zwei Schritte nach rechts, damit mein Start überhaupt gewertet werden konnte, und dann ging es auch für mich los.

Mitten in einem grellorangenen Trikot-Pulk wühlte ich mich auf der Tartanbahn durch die Massen, bog schließlich auf die freie Aussenbahn und ließ bereits auf den ersten 400m einige hundert Läufer hinter mir.
Gemütlich laufen schön und gut, aber Papa will zeitig essen…
Da wir aber 600m, sprich 1 1/2 Runden, auf der Bahn laufen mussten, kam es zu der surrealen Situation, dass ich nach den ersten 400m eines 10.000m-Laufes bereits einen Großteil des Starterfeldes ‚überrundet‘ hatte.
Die waren nämlich aufgrund der Größe des Startfeldes noch gar nicht losgelaufen!
Verkehrte Welt.
Zum Glück war aber die Bahn 8 extra für diese Überrundung abgtrennt worden, sodass wir uns nicht in Gegenseitig in die Quere kamen.
Bei einem weiteren Überholmanöver scherte ich noch mehr nach rechts aus und sah erst jetz, dass da eigentlich gar kein Platz, geschweige denn gar keine Bahn mehr war.
Zum Ausweichen oder wieder Einscheren war es jetzt aber auch zu spät und so rannte ich mit vollem Schwung durch die Weitsprunggrube.
Ich sags ja: Verkehrte Welt!
Aber überholt ist überholt.
Durch ein nicht nur sprichwörtliches „Loch in der Hecke“ wurden wir von der Sportanlage hinaus auf den Dhünndamm gelotzt.
Ja genau.
Der Dhünndamm.
Auf Höhe des Restaurants „Chinesische Mauer“, ja ihr habt richtig gelesen, scherte mein Vordermann plötzlich aus und stellte sich an den Wegesrand, um Wasser zu lassen…
Na ganz toll, eigentlich sollte der mir als Windschutz dienen, also an den nächsten Läufer heranknappsen.
Bis zum Neulandpark, wer kennt ihn mittlerweile nicht?!, hatte ich das auch geschafft. Der Weg stieg etwas an – und mein Vordermann gab nach und wurde langsamer.
Wieder überholte ich meinen Windschutz und ackerte mich abermals allein durch die Böhen. Weiter vor mir befand sich eine 2er-Gruppe bestehend aus einem hellblauen Läufer (wahrscheinlich TV Refrath) und einem Dunkelblauen mit weißen Strichen (wahrscheinlich Tectrion).
Gut, dann versuche ich mal die zu erreichen.
Aber mei, langsam sind die nicht!
Wir liefen eine Runde durch den Park, begeleitet von den rythmischen Klängen einer tapferen (und hoffentlich wasserdichten Sambagruppe), dann ging es auf dem Radweg in Richtung Klärwerk über eine Kontrollmatte, vorbei an Getränke Station 1 und wieder zurück auf den Dhünndamm in Richtung Bürrig.
Hier kam mir dann das Hauptpulk entgegen.
Meine treuen Blogleser werden spätestens jetzt erahnen, warum ich sich meine Freude in Grenzen hielt, als ich den Streckenverlauf erfuhr…
Auf den gesamten 2 Kilometern des Dhünndammes bis nach Bürrig blies mir der Wind harsch ins Gesicht. Mühsam hielt ich einen Schnitt von 3:50min/km und sah voller Neid mitan, wie sich die 2er-Gruppe vor mir scheinbar in gegenseitigen Einvernehmen mit dem Windschatten abwechselte.
Die Jungs lagen aber bereits jetzt gut 400m vor mir. Da gabs erstmal kein Rankommen.
An der Kreuzung zur Ortseinfahrt Bürrig wechselte die Strecke auf den Mühlbachdamm, für mich und meine Leser absolut unbekanntes Terrain, und hier erwartete mich auch Getränkestation 2.
Ein kleines Mädchen hielt mir voller Vorfreude einen Becher entgegen, die Mutter stand stolz dahinter.
Zu gern hätte ich dem Mädchen die Freude gemacht, aber ich hatte absolut keinen trockenen Mund und mein Atem ging bereits durch den Gegenwind mehr als am Limit.
Jetzt etwas trinken kam also gar nicht in Frage.
Als ich die Station links, beziehungsweise hinter mir, liegen ließ, hörte ich die Mutter noch zu dem Mädchen sagen:
„Das ist immer so. Die Ersten haben nie Durst.“
Ich bin mir aber sicher, dass sie beim Hauptfeld genug zu tun hatte.
Nun folgte, also gut 1km auf meinen Hass-Liebe-Gegenwind-Damm.
Keine Ahnung wie oft ich dieses Teilstück schon abgelaufen war… 40, eher 50mal.
Jetzt also zum zweiten Male auch im Rennen.
Wie langweilig.
Vorbei am Gut Reuschenberg, ging es weiter entlang des Mühlbaches und bei ca. Kilometer 8 dann hoch auf den Berg.
Aber so richtig hoch.
Diese unerwartete Cross-Einlage saugte nochmal so richtig Kraft aus den Gegenwind-geschundenen Waden.
Der Weg bog nach links ab in Richtung Birkenberg.
Einer der Post lachte mich an:
„Komm! 100m noch, dann gehts nur noch bergab!“
Dieser Spruch ließ mich wieder auf ein gutes Ende hoffen, denn die letzten beiden Kilometer war ich im knappen 4:10min/km-Schnitt gelaufen.
Und wer mich kennt, weiß dass das im Rennen ein absolutes „No Go“ für mich ist!
Nach der nächsten Kurve ging es nicht nur tatsächlich auf dem Ebenen weiter, es erwartete mich auch Getränkestation 3; auf einen flüchtigen Blick durchweg von Frauen besetzt.
Und im Vorbeilaufen wehte dann auch ein Satzfetzen zu mir herüber, der von knackigen Männerbeinen, kurzen Läufershorts und einer Prise Sexismus handelte.
Innerlich lächelte ich.
Dann hat das Training ja in mehrfacher Hinsicht ein Gutes.
Vorbei an meiner alter ehemaligen Bogenschieß-Halle ging es über die Stadtautobahn und dann: Bergab!
Ohne Gegenwind, zum ersten Mal seit 9 Kilometern.
Die Strecke führte durch eine Seitenstraße, machte einen 90°-Knick nach links und *BUMMS!* befand ich mich in einer anderen Welt!
Ich hatte die Kölner Strasse erreicht. Start und Ziel des Halbmarathon, sowie Ziel des 10ers.
Die Seiten waren mit zunehmend mehr Passanten gesäumt, die klatschten und mich zum Teil auch laut anfeuerten.
Ein Blick auf meine Uhr zeigte mir, dass gerade die 39. Minute angebrochen war. Das Ziel lag direkt vor mir.
Ich breitete die Arme aus – und flog hindurch…

Wie im Traum nahm ich noch wahr, dass mir eine dunkelhäutige Schönheit eine Medallie umhängte, dann lehnte ich mich erstmal gegen eines der Gitter und kam wieder runter.

Mist. Meine Uhr lief noch. Gerade wanderte die 40:10min durch.
Naja, meine Nettozeit wird ja auch vom Chip erfasst.
Ich sah mich um:
Der Zielbereich war überraschend leer. Da stand Veronica, eine TSV Bayer 04-Läuferin und erwartungsgemäße Siegerin der Frauen, daneben der Gesamtsieger vom TV-Refrath, ein Läufer des LT Miep! Miep! Leverkusen und weiter hinten am Freibier- und Bananenstand tummelten sich noch 4 Läufer.
Ja und das wars auch schon.
Also Top 10?

Nachdem ich mein Gepäck problemlos wieder in Empfang genommen und mich geduscht hatte, gönnte ich mir erstmal eine Bratwurst.
Absolut Läuferunkonform, aber nach 2 Wettkämpfen innerhalb von 13:30 Stunden mehr als überfällig!

Ich traf den Läufer der Tectrion, der die ganze Zeit vor mir lag, den ich aber nicht mehr einzuholen vermochte.
Wir plauderten ein wenig und stellten fest, dass wir unter guten Bedingunen ungefähr gleichschnell wären.
Daher war ich echt erstaunt, dass ich trotz Gegenwind und Vorbelastung so gut an ihm ‚kleben‘ konnte.
Am 24. September in Zons wäre es auch wieder mit von der Partie.
„Läufst du dann auch für die Tectrion?“, wollte er wissen.
Ich drehte ihm meinen Trikot-Rücken zu und er lachte nur.
„Alles klar, also bis Zons.“, verabschiedeten wir uns.
Ein neuer ‚Gegner‘ für mich also.
Aber wieder ein sympathischer, wie vormals Kollege ‚Hacky‘.

Das offizielle Ergebnis lässt mich ein wenig ratlos zurück:
Brutto UND Netto habe ich 40:01min und damit Platz 7 der Gesamtwertung, sowie Platz 1 der Klasse M30 erreicht.
Aber ich habe definitv nicht in der ersten, sondern vielmehr in der 100ten Startreihe gestanden.
Wie kann dann also Brutto gleich Netto sein?
Meine Nettozeit liegt vielmehr irgendwo bei 39:45min, gut an der Platzierung hätte das auch nicht mehr geändert, aber eine 40er Zeit ist schon ärgerlich. Vor allem mit dieser einen Sekunde.

Wahrscheinlich hat die schmale Startmatte meinen Chip nicht erfasst. Normalerweise ein Grund zur Disqualifikation.
Da aber viele Läufer des 10ers Brutto und Netto identisch haben, gehe ich mal davon aus, dass das Problem nicht nur bei mir auftrat…

Fazit des Laufes:
Gemischt!
Die Orga, der Shuttle, Verpflegung, alle HelferInnen und das Rahmenprogramm: TOP!

Da gibts nichts zu meckern, oder zu beanstanden!
Einziger Kritikpunkt wäre vielleicht, dass man auch AK-Ehrungen beim 10er einführen könnte und eben nicht nur beim Hauptlauf, dem Halbmarathon.

Die Streckenführung dagegen…
Gut, ich bin befangen: Wer 4mal die Woche dort seine Trainingsrunden dreht, will in einem Rennen nicht exakt, aber wirklich exakt die selbe Strecke ablaufen müssen.
Aber darüber hinaus muss ich leider auch sagen, dass man sich als 10km-Läufer hier schon ein wenig ‚abgeschoben‘ vorkam.
Es fehlte komplett die Atmosphäre beim Strart.
Sicherlich gab sich die Moderatorin größte Mühe und sie hat auch einen super Job gemacht.
…aber das ersetzt leider keine johlende und frenetisch klatschende Menge.
Gut, die gabs beim Zieleinlauf auch nicht, aber das lag am Wetter.
Für uns Läufer sind 30°C und Sonne tödlich, 14°C und leichter Regen dagegen perfekt.
Fürs Puplikum ists nunmal genau umgekehrt.

Jetzt freue ich mich bereits auf den nächsten Lauf am 26.6. in ‚meinem‘ Trier.

Bis dahin,
Euer Dummschwitzer

Dieser Beitrag wurde unter Rennberichte veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.