Karsten, M.D.

Donnerstag, 27 Oktober 2011

Das Lächeln, mit dem sich die Apothekerin nach dem Verwendwungszweck meiner Bestellung erkundigte, gefror sichtlich.
Grund für ihre plötzliche Unsicherheit war offenbar mein Kommentar:
„Wir feiern die Brit Mila (Sprich: „Brissmile“) und ich bin aus der Übung.“
Beinahe verweigernd legte die junge Frau daraufhin ihre Hand auf das Päkchen, welches sie gerade erst auf den Tresen gestellt hatte, und schaute sich auffällig unauffällig und hilfesuchend um.
Für einen Moment war es ziemlich still.
Meine Lieblings-Apothekerin, die ich mir in tagelanger Arbeit sozusagen an die Bedürfnisse eines Läufers eingelernt hatte, und welche gestern auch ohne großes Nachfragen meine Bestellung angenommen hatte, war heute leider nicht hier.
Stattdessen ebenjene, junge Dame.
„Das war ein Scherz.“, versuchte ich irgendwie die Situation zu retten.
Man konnte den Stein, der meinem Gegenüber vom Herzen fiel beinahe hören.
Endlich schob sie mir die 20 Skalpelle herüber.
„Bevor ich es vergesse: Haben sie Isoprophyl auch in größeren Flaschen als 100ml vorrätig? Und paar Einwegkanülen bräuchte ich ebenfalls…“
Abermals fror der jungen Kollegin das Gesicht ein.
Um allen Missverständnissen entgegen zu wirken erklärte ich mich.
„Das brauche ich, da ich mir in den neuen Schuhen noch ab und zu eine Blase laufe. Ach, Pflaster können sie mir noch welche beipacken.“
Endlich hellte sich das Gesicht der Frau etwas auf.
Mit Blasen kam sie scheinbar besser klar, als mit Beschneidungsritualen.
„Also wir empfehlen ja, dass man die Blase gar nicht öffnet. Denn verschlossen ist sie ja steril.“, referierte sie geflissentlich, während sie das Gewünschte in den Schubladen.
„Dafür benutze ich da dann das Isoprop.“, entgegene ich, „Außerdem laufe ich ja täglich, da würde die Blase ohnehin beim Training am nächsten Tag unkontrolliert aufplatzen.“
„Ach sie meinen so richtig laufen?“, kurz hielt sie inne und sah mich abschätzend über die Schulter an, dann kramte sie weiter in dem gigantischen Regal hinter dem Tresen.
„Wie kann man denn falsch laufen?“, dachte ich noch bei mir, da baute sich die Frau auch schon wieder vor mir auf und hielt -in bester Verkaufsmanier- zusätzlich zum Gewünschten ein türkises Kästchen hoch.
„Gegen Blasen können wir ihnen auch noch diese speziellen Blasenpflaster anbieten“.
Ich fragte mich noch, wen die Gute denn mit wir meinte, da erzählte sie schon weiter.
„Wenn sie das Gefühl haben ‚Oh, jetzt laufe ich mir gleich eine Blase‘, dann können sie diese Pflaster direkt auf die Ferse kleben und dann verhindert das meistens schon schlimmeres. Darunter entsteht nämlich ein günstiges Heilklima und nach einigen Tagen fällt das Pflaster von alleine wieder ab.“
Ihr kleines Referendum klang so dermaßen abgelesen, dass ich versucht war hinter mir nach einem Teleprompter, Beamer oder zumindest einem beschriebenen Pappaufsteller Ausschau zu halten.
Glücklich ob ihres fehlerfreien Vortrages strahlte sie mich an.
„Ja, aber dafür muss ich ja stehen bleiben.“ war alles was mir dazu einfiel.
Ich konnte ihr gedachtes Seufzen beinahe hören.
Wahrscheinlich bin ich heute ihr persönlicher Arschloch-Kunde.
Der „Peter Gedöhns“ der Apotheken-Runschau.
Ungefähr in diese Ecke drängte mich jedenfalls ihr Blick.
Ich nahm mir vor meine Schwester zu fragen, ob Pharmazeutisch Technische Angestellte auch in Verkaufsgesprächen geschult werden.

Mit einer Mischung aus Mitleid, aber auch Neugierde erstand ich dann doch zusätzlich zu meinem ’normalen‘ Läuferbesteck (Handschuhe, Skalpell, Kanülen, Isoprop, Pflaster und Tupfer) auch noch eine Probepackung dieser Super-Spezial-Blasenpflaster.

Jetzt kann mir ja eigentlich nichts mehr passieren,

Euer Karsten

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