Trainings(halb)marathon wider Willen

Sonntag, 23 Oktober 2011

Mein Garmin piepste zum 15. Kilometer und eigentlich würde damit meine heutige Trainingseinheit enden, denn mehr hatte ich mir nicht vorgenommen.
Eigentlich.
Nur leider befand ich mich nicht wie geplant vor der heimischen Tür, oder zumindest in ihrer unmittelbaren Nähe.
Ich befand mich nichtmal in mittelbarer Nähe.
Denn ehrlich gesagt – ich hatte keine Ahnung wo ich mich befand.
Irgendwo im Niemandsland zwischen den Stadtteilen Opladen, Rheindorf und Bürrig.
So vermutete ich.
Am Rande eines Ackers.
Das wusste ich.
Symbolträchtig lachte mich ein Schild an: „Privatweg – Unbefugtes Betreten verboten“
So sind sie, die Deutschen, weltoffen und gastfreundlich.
Misstrauisch warf ich einen Blick auf meine Beine.
Deutlich traten die Adern unter der Haut hervor, im linken Quadrizeps zuckte es dann und wann unkontrolliert.
Sehr viel würde ich diesen geschundenen Muskeln heute nicht mehr zumuten können, 15 hügelige Waldkilomter im 4:35min/km-Schnitt noch dazu in den nagelneuen Cross-Schuhen hatten deutliche Spuren hinterlassen.
Die Füße an sich fühlten sich aber noch ganz gut an – Oh, ich hatte ja keine Ahnung…

Ich hatte es tatsächlich geschafft mich auf meiner „erweiterten Hausrunde“ zu verlaufen. Wie peinlich ist das denn!?
Irgendwo auf den letzten Kilometern bin ich scheinbar falsch abgebogen -Korrektur- Ich bin eben nicht abgebogen, sondern weiter auf dem Feldweg geblieben.
Das fiel mir dann auch irgendwann sogar auf, nämlich als der Untergrund von Sand auf Asphalt wechselte, quittierten meine ungedämpften Cross-Renner das direkt mit Argwohn.
Anstatt nun auf der Stelle zu wenden, bin ich halt mal weiter gelaufen.
„Wird schon nicht im Nichts enden, der Weg“, dachte ich noch und „Umwege verbessern die Ortkenntnis“…
Nun stand ich aber doch vor dem „Nichts“, respektive jenem freundlichen Verbotsschild.
Die Sonne tackerte mir aufs Dach, der Mund war trocken, das Hemd dafür nass geschwitzt.
Und ich hatte Hunger.
Ganz fiese Kombination das.
Es hilft ja alles nichts: Ich muss wieder zurück.
Um die Gelenke ein wenig zu schonen lief ich konsequent im kleinen Grünstreifen neben der Straße und nach knapp zwei Kilometern erreichte ich tatsächlich wieder bekanntes Terrain.
Ich befand mich nun in der Ackerlandschaft Ortsausgang Rheindorf.
Und ich wusste: Von hier aus sind es noch knapp 5 Kilometer bis nach Hause.
Der aufkommende Wind kühlte mein triefendes Trikot unangenehm aus, für einen Moment schloss ich die Augen, atmete einmal tief durch und tatsächlich: Die Beine setzten sich nochmal in Bewegung.
Im glatten 5-Minuten-Schnitt, also 12km/h, zockelte ich am Wegesrand vorbei an Wandergruppen, Familienausflüglern und kam mir dennoch vor wie der einsamste Mensch auf Erden.
Meine Beine verrichteten stur ihre Arbeit, die Oberarme schwangen leicht mit, schmerzten aber schon merklich.
Jede Bank am Wegesrand, jedes schattige Plätzchen hatte plötzlich eine nahezu hypnotische Wirkung auf mich.
Hinsetzen und ausruhen.
Nur ein paar Minütchen.
Aber ich wusste genau, dass ich mich dann kaum noch aufrappeln würde können.
Jedenfalls nicht in der näheren Zukunft.
Bank um Bank, Stein um Stein ließ ich also links liegen, erreichte schließlich die Dhünn und entschied mich für den Naturpfad direkt am Ufer.
Der ist zwar noch kraftraubender, dafür aber weicher weil Wiese und vor allem: 200 Meter kürzer, als oben auf der Dammkrone.
Die Sonne schien mir aber auch leider hier weiterhin ungebremst auf meine Runkel.
Das 4:45min/km-Tempo konnte ich tatsächlich halten, aber nun begannen sich auch die Füße, vor allem der Linke, zu melden.
Nagelneue Schuhe sollte man halt nicht direkt auf so einem „Gewaltmarsch“ einlaufen.
Vor allem die Schnellschnürung hatte sich als ungewohnter als gedacht herausgestellt.
Nach knapp 2500 Metern endete der Naturpfad und ich erklomm‘ mühsam die circa 5 Meter hohe Dammkrone.
Jetzt ist es nicht mehr weit.
Gute 1000m über den Damm.
Kleinigkeit.
Danach nochmal ein kleines Stück durch die Einkaufspassage.
Das ist nichts.

Nach mehr als 21 Kilometern Gesamtstrecke erreichte ich dann tatsächlich mein trautes Heim.
Mein Körpergefühl hüftabwärts war eine ungewohnte Mischung aus „Gummi“ und „Betäubtes Fleisch“.
Das Dehnen ungewohnt schmerzhaft, aber als ich dann nach der erfrischensten Dusche seit langem in den Spiegel schaute, grinste mich das Konterfeit eines rundum zufriedenen Menschen an.

Leider hatte ich mir auf der linken kleinen Zehe eine gewaltige Blase gelaufen, die im Laufe des Abends sogar noch an Volumen zulegte.
Mangels „Langläufer-Besteck“ musste ich mir mit einer abgekochten, spitzen Schere Erleichterung verschaffen.
Morgen, so nahm ich mir vor, würde ich direkt nach Arbeit und Training in der Apotheke vorstellig werden.

Aber das ist wieder eine andere Geschichte…

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