Sonntag, 29. Januar 2012

Projekt XX: StrongmanRun 2012

Tag: 117 / 66. Trainingseinheit: Wettkampf
Wetter: 1°C, angehauchter Schneefall, leichter Wind

Meine Ausgangsposition im heutigen Abschlusslauf der 1. Leverkusener Winterserie war mehr als kompfortabel:
Laut meinen Berechnungen war ich in der Gesamtwertung „relativ sicher“ mit knapp 4 Minuten Rückstand auf den Führenden und meinerseits gut 4 Minuten Vorsprung auf den Dritten.
In der AK-Wertung sah es sogar noch besser aus: Ich hatte mir mit über 8 Minuten Vorsprung die Führung nahezu gesichert.

Im Grunde lautete das Motto daher: Einfach nur ankommen, egal wie und ich hab 2 Pokale sicher!

Und so kam es, dass dieses kleine Teufelchen auf meiner Schulter plötzlich irgendwas von „Triple“ faselte.
Gut, ok. Ich war beim 2. Lauf recht unerwartet auf Platz 4 der Tageswertung gelaufen. Das lag aber weniger an einer Leistungsexplosion meinerseits, sondern vielmehr an mangelnder Konkurrenz. Mit einer 39er Zeit war das sogar mein „langsamster“ Lauf der ganzen Serie.
Trotzdem… Triple klang verlockend.
Und mehr noch: die magische 37er-Marke war mittlerweile auf verlockende 22 Sekunden herangerückt.
Realistisch betrachtet, sind 22 Sekunden auf 10km eine andere Welt…

So kam es also, dass unser „Held“ mit eigentlich völlig überzogenen Erwartungen an sich und sein Kraftausdauervermögen ins Rennen startete.
Nochmal zu Erinnerung: Meine Uhr wirft mir alle 400m eine Zwischenzeit raus.
Liegen diese 400m-Zeiten konstant bei 90 Sekunden, so hätte ich eine Chance auf eine hohe 37er Endzeit.
Bei 91 wäre es schon eine glatte 38:00 und bei 94 sogar „nur“ eine 39:00.

Nach dem ersten „gerangel“ im Block lief es sich auch ganz gut an. Es war zwar sehr frisch und windete zuweilen aus Nord-Nord-Ost, aber ich war voll da, wie man so schön sagt. Die ersten Zwischenzeiten waren auch mit je 89 sek total in Ordnung, aber dann ging es auf dem Dhünndamm gegen den Wind.
Ich hielt mich schön hinter meinem direkten Vordermann, einem Läufer des TV Refrath.
Knapp 50 Meter vor uns war eine Dreiergruppe, bestehend aus Beate, im Dezember beim 2. Lauf schnellste Frau im Feld, einem ASV-Triathleten und einem Läufer in Rot-Schwarz, ich vermutlich Leverkusen Triathlet, aber wie sich später herausstellte ebenfalls vom ASV Köln.
Ich liebäugelte damit, mich diesem Pulk anzuschließen und mich ziehen zu lassen. Beate war eine flotte Läuferin und ein großes Pulk verspricht Sicherheit und mentale Stütze.
Nur mein refrather Vordermann lief stur seinen Stiefel runter, zwar nicht gerade langsam, aber er machte auch keine Anstalten sich dem Pulk zu nähern.
Eeendlich verließen wir den Damm und betraten den Neulandpark.
Links gings hoch.
Nicht zu steil, aber konstant und lange.
Der Refrather gab Gas, ich ließ mich ein kleines Stück hintenan fallen, da ich nicht mit Vollgas hoch wollte und stand plötzlich frei im Wind.
Auch nicht so super.
Nach der Rechtskurve zum Bergabstück klinkte ich mich wieder an die Hacken des Refrathers.
Bergab gings wieder was flüssiger und zurück über den Damm ins Stadion war eigentlich recht ok.
Dann fing es an.
Jetzt rächte es sich, dass ich auch nur daran gedacht hatte, mit meinem derzeitigen Trainingsstand eine 37er zu „erzwingen“!
Wir waren gerade auf der Start-Ziel-Geraden, als mir ein Gedanke durch den Kopf schoss:
„Du läufst jetzt am Limit, aber was machst du eigentlich, wenn die jetzt gleich den negativen Split starten?“
… ich wusste es nicht.
Zum Glück ließen alle Vorderleute in Sichtweite den Zwischensprint stecken und sparten ihre Kraft scheinbar für Unwägbarkeiten auf der zweiten Runde auf.
Einer von Beates Mitläufern, der AVS-ler in rot, fiel plötzlich zurück und hängte sich an mich und den Refrather an.
Als wir uns abermals aus dem Sportpark hinaus auf die Weiten des Dhünndammes geschoben hatten, packte es mich.
Keine Ahnung was, und warum – Aber ich hatte plötzlich einen Gedanken:
„Du gehörst hier nicht hin! Da vorne zu Beate, da gehörst du hin!“

Auf Höhe der „Chinesischen Mauer“ überholte ich den Refrather in der stillen Hoffnung, dass er mitzog und wir somit die beiden Pulks zusammenziehen konnten.
Der ließ sich davon aber leider nicht beeinflussen und hielt sein Tempo. Der rote ASV-ler schien sein Pulver ohnehin schon verschossen zu haben.
Nach wirklich quälend langen Metern hatte ich Beate und ihren verbleibenden Begleiter endlich gegen Ende des Bergaufstückes eingeholt.
Wenn ich schaffen würde mich an sie zu heften, dann hätte ich eine realistische Chance auf eine wirklich gute Zeit.
Den „Traum von der 37“ hatte ich zu diesem Zeitpunkt aber bereits ad acta gelegt.
Aber vielleicht eine niedrige 38?
Mit etwas Glück evtl sogar eine knappe, neue PB?

Dann kam wie aus dem Nichts der Refrather von hinten angestürmt, noch auf dem Bergaufstück hatte er meinen Ausreißversuch egalisiert und wie auf der ersten Runde an dieser Stelle kauerte ich mich ängstlich in seinen Windschatten, als es auf das Bergabstück zu ging.
Jetzt stand es auf der Kippe.
Durch eine Unachtsamkeit waren Beate und ihr Begleiter wieder ein paar Meter vorweg, der Refrather hielt sein Tempo, ich drohte abzufallen.
Was genau geschehen ist, kann ich momentan noch gar nicht sagen.
Plötzlich waren der ASV-ler und der Refrather schier unendlich weit vorne, Beate kämpfte sich gut 100m vor mir alleine durch den Wind und wir waren auch schon nicht mehr im Neulandpark, sondern auf der Brücke zurück über die Dhünn.
Ich habe ganze 500m komplett verschlafen.
Unverzeihbar!
Darüber wurde ich so wütend, dass ich noch auf der Brück Gas gab. Aber so richtig.
Direkt stellte sich ein höllisches Seitenstechen ein, der Refrather und der ASV-ler waren bereits außer Sichtweite um die nächste Kurve.
„Jetzt ganz cool bleiben.“ redete ich mir zu.
Auch wenn ich am liebsten heulend im Grünstreifen ausgelaufen wäre.
„Kein Drama, keine Panik. Noch hast du Zeit, noch ist genug Strecke vorhanden, um was zu retten.“
Ich ballte die Fäuste, ignorierte die Stiche in der Seite und rannte fing mich wieder etwas.
Nach kurzer Zeit verkrampften beide Hände, erst jetzt bemerkte ich, dass ich sie noch immer zu Fäusten geballt hatte. Als Abhilfe zog ich meine Handschuhe aus und nahm je einen in eine Hand.
Beate kam wieder in Sicht, die Paces wurden wieder erträglicher und kurz flammte eine kleine Hoffnung auf, als uns einer der Posten unter der Bahnbrücke „36:30min“ zurief.
„90 Sekunden“, dachte ich nur, „Ich werds ja wohl in 90 Sekunden von hier ums Eck hinten rum ins Stadion und dort auf der Bahn bis ins Ziel schaffen.“
In Gedanken sind solche Strecken aber immer viel viel kürzer, als in Realität… das wusste ich leider nur zu gut.

Trotz Schlußsprintes im 3:10min/km-Schnitt (fast 20km/h), war „meine 37“ nicht mehr zu retten.
Bei weitem nicht…

Jetzt, einige Stunden später, denke ich, dass ich in meinem 21. Rennen wieder einen ganzen Haufen neues gelernt habe.
Und nachdem ich in Ruhe alles revue habe passieren lassen, weiß ich, dass ich mich nicht „unter Wert“ verkauft habe, sondern meine drittbeste Zeit überhaupt gelaufen bin!

…aber dennoch fuchst es mich halt, dass ich mich heute über die ersten 7500m wirklich durchgebissen und gekämpft habe und mich dann auf nur 500m Strecke derat habe gehen lassen und einfach nichts mehr in petto hatte. Nachdem ich mich dann knapp 1500m vor dem Ziel wieder etwas gefangen hatte, war der Zug dann leider abgefahren.
Aber ich habe wieder zurück ins Rennen gefunden
– Das ist die große Lehre des heutigen Tages!
Und ein paar Sekündchen Ergebniskosmetik sind mir danach sogar auch noch gelungen.

Das Rennen im Überblick:

01 - 96,3 sek
02 - 89,8 sek
03 - 89,4 sek
04 - 89,8 sek
05 - 92,1 sek (2km - Marke)
06 - 94,5 sek
07 - 95,1 sek
08 - 94,3 sek
09 - 90,6 sek
10 - 92,3 sek (4km - Marke)
11 - 86,4 sek
12 - 91,2 sek
13 - 94,0 sek
14 - 96,5 sek
15 - 88,6 sek (6km - Marke)
16 - 93,9 sek
17 - 90,1 sek
18 - 94,2 sek
19 - 92,6 sek
20 - 98,9 sek (8km - Marke)
21 - 91,7 sek
22 - 95,8 sek
23 - 90,3 sek
24 - 91,3 sek
25 - 90,5 sel (10km - Ziel)

Zielzeit: 38:37min

Mit diesem Rennen endet meine „Wettkampf-Saison 2011“. Jetzt gilt es in der Zeit bis Anfang März soviel qualitativ hochwertiges Training wie möglich zu packen und *toi toi toi* verletzungs- und *toi toi toi* erkältungsfrei zu bleiben!

Euer KamiKasi

Tagesbilanz: 10,00km - 38:37min - 3:52min/km
Begegnungen: inter pares!

Wochenbilanz
Trainingswoche: 16

Laufeinheiten: 3
Distanz: 28,18km
Zeit: 2:15h
Pace: 4:48min/km

Gewicht: 80.3kg
Weitere Trainingseinheiten: 1 Stabi

Erkenntnis des Tages:

Gewonnen oder Verloren, wird zwischen deinen Ohren!

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