„Liebe Kindlein daheim vor den Bildschirmen…“

Donnerstag, 23. Februar 2012

Projekt XX: StrongmanRun 2012

Tag: 141 / 83. Trainingstag: Regenerationslauf
Wetter: 12°C (!!!) Aber leider sehr grau in grau

Ja, wer kennt sie nicht?
Diese berühmten Worte, die Onkel Thommy Gottschalk immer mit erhobenen Zeigefinger in die Kamera sprach, nur weil gleich ein Kandidat wetten wollte, dass er „mit verbunden Augen, nur mit Hilfe einer Gabel, erkennen kann welche Steckdose unter Strom steht?“.

Ich hatte heute einen ähnlich grandiosen Einfall – aber fangen wir von vorne an.

Mein Wecker klingelte.
Der Uhrzeit nach zu urteilen tat er das schon seit fast 2 Stunden, nur hin und wieder von meinem blinden Rundumschlag auf die Snooze-Taste unterbrochen.
Wenn ein Arbeitstag so anfängt, kann man ihn meistens auch schon direkt vergesen.
Aber zum Glück gibt es ja noch die Gleitzeit-Regelung bei uns in der Firma und Kundentermine mache ich, seitdem ich so excessives Training betreibe, erst gar nicht vor 9 Uhr.
Dies war dann auch meine heutige Startzeit in das alltägliche Hamsterrädchen.
Generell ist es kein Problem so spät anzufangen, man muss dann halt nur bis 18 Uhr bleiben, wenn man das Gleitzeitkonto nicht noch mehr strapazieren will.
Zwei Dinge standen dem heute jedoch im Wege: Erstens muss ja auch der Kunde entsprechend lange Zeit haben und zweitens hatten wir ab 11 Uhr eine Besprechung.
Also noch weniger Zeit, um produktiv zu arbeiten.
Das „Tages-Soll“ (Keine Angst, Akkord ist zum Glück schon lange nicht mehr!) erreichte ich irgendwie dann doch noch.

Aber als ich dann um 18:30 Uhr zu Hause eintrudelte war ich hundsmüde, einfach nur platt und irgendwie… Naja ich geriet mal wieder über die großen und kleinen Probleme des Lebens ins Grübeln.

Laufen würde ich aber heute trotzdem!
7 km lockeres Traben. Das fördert die Regneration der Muskeln und außerdem kann man dabei so herrlich den Kopf frei bekommen.
…und wenn es heute halt nur 5km werden – Na dann ist das halt heute so!

Ich packte meine Handlampe und trabte von dannen.
Zuerst am Rhein entlang, die Beine waren nach gut 2km richtig warm, generell war es heute übrigens sehr warm gewesen und sogar jetzt, um 20Uhr, mit 10°C noch ausgesprochen angenehm!
Die 7km sollten also gar kein Problem sein.
Als ich die Wupperbrücke passierte, hängte ich spontan noch die 2,5km „Extra-Schleife“ an, als ich diese beendet hatte, wählte ich den „langen Weg“ über Rheindorf.
Ortrand Rheindorf angekommen wählte ich jedoch nicht den „gewohnten“ Nachtlaufweg, sondern schlug spontan den Weg über die dunklen Feldwege ein.
Der Weg ist zwar schon fast ein Trail, gerade wenn er so nass und aufgeweicht wie jetzt ist, aber ich habe ja schließlich eine Taschenlampe dabei!
Und die hatte nach weiteren 2km keinen Saft mehr.

Hier stand ich nun und hatte die Wahl: 2km im Dunklen zurück, oder einfach 2km im Dunklen weiter.

Handy hatte ich zwar keines und es wusste auch niemand wo ich heute lang lief… wusste überhaupt jemand, dass ich heute lief?!
Aber wenigstens hatte ich keinen Mp3-Player dabei!
So würde ich die Such-Rufe der Rettungstrupps auf jeden Fall leichter hören können.

Ich lief einfach mal weiter, den Weg kenne ich ja immerhin recht gut.
Nach der nächsten Kurve musste ich dann feststellen, dass scheinbar irgendein Bauer mit seinem Traktor den kompletten Weg auf Links gepflügt hatte.
Oder eine Horde freilaufender 30-Tonner ist hier entlang gefahren.
Wahrscheinlich sogar beides!

Jetzt wurde es richtig brutal.
Stockfinster, auf matschig aufgewühlten und unberechenbaren Untergrund rannte ich in blindem Vertrauen auf mein „Läuferkönnen“ und mein Glück im 4:40min/km-Schnitt durch die Pampa.
Dies war dann auch ungefähr der Zeitpunkt, da meine beiden altbekannten Trainingsfreunde, das Engelchen und das Teufelchen seit langer Zeit mal wieder auf meinen Schultern erschienen.
„Ey hömma?!“, polterte es von der rechten Seite, „Bissu bekloppt?! Willsu uns umbringen?!“.
Es war aber nicht, wie ich eigentlich erwartet hätte, das Engelchen. Das hing auf der linken Schulter, sehr grün und recht unansehnlich. Es war das Teufelchen, ebenfalls nicht mehr ganz taufrisch im Gesicht.
Ich ignorierte die Beiden und erreichte tatsächlich den asphaltierten Feldweg entlang der Bahngleise.
Ebenfalls unbeleuchtet, aber immerhin konnte man das graue Band im Zwielicht ganz gut erkennen.
Gut, in der langen Kuhle in Richtung Wupper war es durch die hohen Bäume erheblich zu dunkel, als dass man irgendwas erkennen konnte – von dem Weg unter der Wupperbrücke in Richtung Reiterhof mal ganz zu schweigen.
Aber nach der, ich glaubte es nicht aber dort wurde es sogar noch dunkler, Bahnunterführung sah ich sie dann endlich.
Strahlend hell, ja gleißend möchte ich schon sagen.
Die erste Laterne auf dem Mühlbachdamm.
… und auch die Einzige.

Wieder tauchte ich ein ins Dämmerlicht, wieder zwar auf Asphalt, aber hier gab es Bänke, Mülleimer am Rande und ab und zu einen Poller in der Wegesmitte.
Schon ein wenig erleichtert erreichte ich wieder „zivilisiertes“, sprich beleuchtetes, Gebiet.
Völlig entspannt trabte weiter gen Heimat und hing wieder meinen Gedanken nach.
Vorbei an Bürrig.
Vorbei am Restaurant Chinesische Mauer.
Vorbei am Skater-Park.
Vorbei am Fitness-Studio.
Vorbei an der BayArena…
Wie zur Hölle bin ich denn jetzt hier gelandet?!
Ich hätte schon vor über 2km Richtung Innenstadt abbiegen müssen.
Das ist ja jetzt völlig abseits meiner normalen Rekomp-Strecke!
Die geht in der Regel zur Ponton-Brücke und zurück.
7,5km. Ende aus.
Ich kehrte wieder um.
Auf Höhe der Chinesischen Mauer begegnete ich dann tatsächlich der ersten und einzigen Menschenseele heute.
Einem Läufer mit Stirnlampe. Ausgeschaltet.
Wenig später erreichte ich dann doch noch meine Wohnung wohlauf und unversehrt.

Die Antworten auf meine Grübel-Probleme hatte ich übrigens tatsächlich während der heutigen Trainingseinheit gefunden.
…aber irgendwie hatte ich unterwegs die Fragen vergessen.

Waren wohl nicht so wichtig!

Tagesbilanz: 16,83km - 81:57min - 4:52min/km
Begegnungen: 1 Läufer

Erkenntnis des Tages:

Mit 16km Abstand betrachtet, sieht die Welt schon ganz anders aus!

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