31. Rund um das Bayerkreuz – „Von Hunden und Hasen“

Sonntag, 4. März 2012 – „31. Rund um das Bayerkreuz“

Projekt XX: StrongmanRun 2012

Tag: 151 / 88. Trainingstag: Wettkampf
Wetter: 9°C, kaum Wind, kein Regen - Perfekt!

Meine Nacht war extrem kurz.
Mehrmals lag ich wach, „horchte“ in meine Beine, massierte sie mit Muskelfluid, schlief wieder ein.
Gegen 9:30 Uhr, beschloss ich, dass das hier alles keinen Sinn mehr hat und rappelte mich auf.
Frisch wie seit Tagen nicht mehr sprang ich aus 2m Höhe aufs Parkett und tänzelte nahezu durch die Wohnung
Das sind doch unmöglich meine Beine?!
Nicht nach dem verkorksten Warmlaufen gestern und vor allem nicht nach nur 6 Stunden Schlaf!

Kurz vor 10 Uhr kam Abby an; nach einem rudimentären Wettkampf-Frühstück machten wir uns zusammen mit Schwesterlein auf den Weg.
Gerade als wir den Start / Ziel Bereich erreichten, dröhnte „Who let the Dogz out?“ aus allen Lautsprechern. Verstört sahen wir uns an: Hatten selbst die hartnäckigsten Veranstalter dieses Lied nicht schon seit Jahren aus dem Programm gestrichen?
Wenige Minuten später hechelte das bunt gemischte Startfeld des „6-Pfoten-Laufes“ an uns vorbei.
Ja ok, jetzt macht das sinn!
Die Runde über 2,5km schien auch tatsächlich Tier und Mensch außerordenlich viel Spaß zu machen und während wir drei noch „fachsimpelten“ welchen der vielen Vierbeiner wir am liebsten ‚entführen‘ würden, machte sich auch schon das Feld des 10km-Laufes (Zielzeit 40-50min) auf den Weg.
Frenetisch von den vielen Zuschauern angefeuert lief hier so mancher bei perfekten Bedingungen einer persönlichen Bestzeit entgegen.

Und so langsam fasste auch ich wieder etwas Vertrauen in meine Tagesform. Dennoch: Nur nichts beschreien. Erstmal abwarten wie ich mich nach der ersten Rennrunde fühle und zur Sicherheit nochmal dem Schwesterlein einimpfen: „Wenn ich tatsächlich abbreche, egal was ich sage und wie ich aussehe: Du hälst mit der Kamera voll drauf!“

Hose und Jacke ausziehen, eine kleine Dose Roten Bullen kippen, Warmlaufen, ein paar Schluck Tee nachtrinken und in den Block aufstellen.
Die Startvorbereitungen sind mittlerweile ein festes Ritual, die Handgriffe rutiniert.

Ich reihte mich diesmal nicht wie bei den kleineren Läufen in eine der ersten, sondern absichtlich in die vorletzte Reihe ein.
Vorne stehen potentielle OlypmipateilnehmerInnen und viele andere, die nicht unerheblich langsamer sind.

Startschuss – Das Rennen beginnt!

Erste Runde: 0 – 2500m
Nach gut 100m ereignete sich schräg rechts vor mir ein Rempler, in dessen Folge eine junge Frau zu Fall kam und mindestens ein weiterer Läufer strauchelte.
Oh man, die Arme hatte sich ihren Saisonauftakt sicherlich ganz anders vorgestellt, bei einem kurzen Seitenblick stellte ich jedoch fest, dass sie aufrappelte und das Rennen fortsetzte.
Keinen Augenblick zu früh richtete ich meine volle Aufmerksamkeit wieder auf das Renngeschehen vor mir, denn mit großen Schritten ging es auf den Zielkanal zu, wodurch sich die Streckenbreite kurzzeitig halbierte. Nachdem ich dieses Nadelöhr ganz rechts außen passierte, galt es nun sich einen Platz in der Innenseite zu sichern, denn dieser Rundkurs bietet ausschließlich Linkskurven. Nach dem ersten 90°-Turn bildeten sich langsam die ersten Pulks und ich verhapselte mich ein wenig hinter zu langsamen Läufern.
Die eben gestürzte Läuferin zog an mir vorbei und ich hängte mich in ihre Schneise, überholte sie wieder kurz vor der nächsten Linkskurve auf die Kaiser-Wilhelm-Allee und fand ein Pulk mit passendem Tempo für das folgende Gegenwindstück.
Ungefähr auf der Hälft der Geraden purzelte vor mir etwas kleines auf dem Boden, ein Bayer-Läufer neben mir brüllte laut „Weg da! Vorsicht!“ und erst jetzt bemerkte ich einen offenbar verrückten Läufer, der stehen blieb, umkehrte und diesen Gegenstand aufheben wollte. Wild kurvten wir um den Lebensmüden herum, zum Glück stürzte niemand aus unserem Pulk, was hinter uns geschah weiß ich jedoch nicht.
Der Weg stieg nun ganz sachte an und führte in einer sehr langen Linkskurve, an der ehemaligen Medienfassade vorbei, in eine kleine Kuhle, welche nach mehreren Hundert Metern, noch immer linksweisend und abermals leicht ansteigend, in die Start / Zielgerade überlief.
Am Linken Straßenrand stand plötzlich Veit, ein Kollege von mir, und feuerte mich an. Sehr geil, danke!

Zweite Runde: 2500 – 5000m
Zu meiner eigenen Überraschung waren bisher alle Zwischenzeiten unter dem Soll von 90 Sekunden geblieben. Meine Beine fühlten sich noch immer erstaunlich leicht und frisch an. So setzte ich mich an die Spitze des Pulkes und leistete freiwillig ein wenig Tempoarbeit.
Rechtzeitig zur Gegenwindgeraden jedoch ließ ich mich wieder hinter einen der anderen Läufer fallen – Zu verschenken habe ich heute schließlich auch nichts.
In der ewig langen Linkskurve wollte ich das Pulk nun wieder anführen und Gas geben, jedoch zogen die Meisten nicht mit, so blieb mir nichts anderes übrig, als in der zweiten Reihe Läufer um Läufer zu überholen, bis ich schließlich eine kleine Lück fand. Als es wieder geradeaus in Richtung Start / Ziel ging, gruppierte sich die lange Perlenkette aus Läufern wieder zu kleinen Knubbelpulks.

Dritte Runde: 5000m – 7500m
Was hat der Moderator gerade gesagt, als ich die Zielgerade verlassen habe?
5000m-Zwischenzeit: 20 Minuten?
Der muss sich irren, bisher liege ich doch noch voll im Soll.
Wie sollte ich auch wissen, dass der Moderator am Anfang der 200m langen Zielgeraden stand und diese Zwischenzeit für die Läufer galt, die jetzt gerade die Zielgerade betraten, also über 200m hinter mir lagen?
Alle 400m leuchtete eine aktuelle Pace an meinem Handgelenk auf und so langsam überschritt ich die 90-Sekunden-Marke.
Intervallmäßig gab ich kurz etwas Gas und fiel dann in mein „gefühltes“ Soll-Tempo zurück. Alles in allem ein etwas unstetes Renntempo, aber mein Puls und die Atmung blieben erstaunlich „cool“.
Auf der langen Linkskurve entdeckte ich ziemlich weit vor mir ein weiteres Pulk – und ich bemerkte wer bei denen das Tempo vorgab: Eine kleine, junge Frau ganz in Schwarz.
Läufer um Läufer arbeitete ich mich, wieder in zweiter Reihe im allein im Wind, an dieses Pulk heran, jedoch mit Beginn der Start / Zielgeraden zündeten die Meisten Läufer um uns ihre „Finalbooster“ und plötzlich waren die Frau und ich nahezu allein auf weiter Flur.
Na das sind ja auch tolle Kerls – Lassen eine Frau die Arbeit machen und verkrümeln sich dann.
Von irgendwoher brüllte jemand mich an: „Komm schon, Annika, du liegst voll in der Zeit und du hast das Tempo hinten heraus!“
Neben mir lief ein Mann her und feuerte „Annika“ durch mich hindurch an.
Ich erhöhte das Tempo um eine kleine Nuance und setzte mich vor Annika in den Wind, zog sie durch die kleine Steigung bis zum Ende der Zielgeraden. Nach der Linkskurve jedoch merkte ich, dass sie nicht mehr komplett mitging.

Letzte Runde: 7500m – Ziel
Gerade wir um die Kurve gebogen waren, lief Stefan Koch in sensationellen 29:13min zu seinem 4. Sieg auf dieser Strecke ins Ziel.
Ja! Strike!
Mein erstes Ziel habe ich knapp erreicht: Ich bin diesmal nicht überrundet worden!
Von irgendwoher rief mir wieder jemand etwas zu. Die Stimme kenne ich doch, kurz blickte ich mich um und sah noch kurz Nicole am Straßenrand.
Ich hatte ein paar der „Ausreißer“ vor mir und hängte mich an.
Kurz ‚verschnaufen‘, so merkwürdig das bei einem Tempo von über 15km/h anmuten mag.
Nur ein paar Meter an fremde Füße hängen, nicht alleine das Tempo gehen müssen.
Denn nun steht mir wieder die Konfrontation mit meiner „Nemesis“ bevor: Zwischen Kilometer 7 und 8 habe ich seit jeher ein kleines Formtief, jedenfalls wenn ich alleine unterwegs bin.
Hier verschenke ich aus Erfahrung unnötig Zeit.
Jetzt fragt mich bitte nicht was mich geritten hat, aber als wir auf die Linkskurve zur Gegenwind-Geraden zuliefen, ließ ich das komplette Pulk neben mir liegen, gab ordenlich Gas und machte mich ganz alleine auf den Weg zum nächsten Pulk – gute 30m vor mir.
Mir kam dieses Pulk zu langsam vor – daher hielt ich das für schlau.
Direkt nach der Linkskurve, der Wind bließ mir hart entgegen und ich war bereits über 5m vor meinem ehemaligen Pulk, wusste ich nur noch eines: Wenn ich jetzt einknicke, dann wars das mit der Sub 38-Zeit!
Wenige Sekunden später, ebbte der Wind ab und ich rannte mutterseelen allein bei absoluter Windstille auf das nächste Pulk auf, welches ich passgenau mit der Linkskurve und dem wieder auffrischenden Gegenwind erreichte!
Glück muss der Mensch haben!
Einen Teil der Kurve ließ ich mich wieder zur Erholung von einem Hasen ziehen, bis er kurz den Kopf zur Seite warf und mir ein „Lauf vor“ zumurmelte.
Also brach ich abermals in die zweite Reihe aus und überholte drei, vier Läufer, reihte mich kurz ein, schnaufte durch, spuckte aus und ‚kassierte‘ die nächsten Läufer. Dicht gefolgt von meinem ehemaligen Hasen arbeiteten wir uns so durch fast den gesamten Pulk, erst kurz vor Beginn der langen Zielgeraden hörte ich abermals seine leise Stimme „Geh alleine weiter“, dann fiel er zurück.
Ich blickte auf die Uhr, 36:10min liefen gerade durch, als ich in die kleine „Mini-Rechtskurve“ direkt vor der Zielgeraden einlief.
Laut rief ich den Läufern um mich herum ein „Kommt schon!“ zu und warf alles in meine Beine, was noch da war.
Den grauen Torbogen fest im Blick kontrollierte ich noch einmal meine Zwischenzeit: Die 37er haben gerade begonnen.
Da realisierte ich, dass ja der Torbogen gar nicht das Ziel ist!
Das Ziel ist nochmal ein gutes Stück weiter hinten.
Oh nein, verdammt verdammt!
Mit letzter Kraft beschleunigte ich nochmal auf 3:25min/km – gute 17,5km/h.
Vor mir wurde es laut, da rief jemand meinen Spitznamen, das „i“ langgezogen und 3 Oktaven zu hoch.
Wie in Zeitlupe zählte die Uhr vor mir hoch…

37:51 – Neun Sekunden… das ist eine Ewigkeit!

37:53 – Jetzt nur noch ein paar Meter beißen, nur noch ein paar Meter

37:55 – Nicht aufgeben! Das ist dein Tag! Dein Rennen!

37:57 – Das wird zuuuu knaaaaaapppp….

Ich senke den Blick, beschleunige (wie mir meine Uhr später verraten sollte) auf 19,87km/h…
… und überquere die Ziellinie bei glatten 38:00 Minuten.

Abby und Ricky stehen im Zielkanal hinter der Absperrung, strecken mir ihre Arme entgegen und wollen mich umarmen – aber ich sinke vor ihnen auf die Knie, blicke auf meine gestoppte Uhr – und grinse beide von unten herauf an. 37:55min. Abzüglich 1 oder 2 Sekunden Verzögerung beim Einlaufen.

Ich habe es tatsächlich geschafft!
Sub 38 Minuten!

Eine unglaubliche Woge der Freude und Energie durchflutet mich, ich drücke und herze die Beiden.

Die einzelnen 400m-Abschnitte im Überblick

01 - 87 sek
02 - 85 sek
03 - 89 sek
04 - 87 sek
05 - 89 sek - 2km Zwischenzeit - 7:19min
06 - 89 sek
07 - 92 sek
08 - 89 sek
09 - 88 sek
10 - 93 sek - 4km Zwischenzeit - 14:51min
11 - 87 sek
12 - 91 sek
13 - 94 sek
14 - 87 sek
15 - 92 sek - 6km Zwischenzeit - 22:23min
16 - 92 sek
17 - 90 sek
18 - 89 sek
19 - 94 sek
20 - 90 sek - 8km Zwischenzeit - 30:00min
21 - 88 sek
22 - 89 sek
23 - 86 sek
24 - 89 sek
25 - 87 sek
Gemessene Distanz: 10,16km
Gestoppte Zeit: 37:55min

Tagesbilanz: 10,00km - 37:53min - 3:47min/km
Begegnungen: Inter paris

Wochenbilanz
Trainingswoche: 21


Laufeinheiten: 2
Distanz: 17,58km
Zeit: 1:15h
Pace: 4:17min/km


Gewicht: 80,2kg
Weitere Trainingseinheiten: 1
1 Krafttraining

Erkenntnis des Tages:

„Du bist immer dann am Besten, wenns dir eigentlich egal ist!“ – Bela B.

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