Mit den großen Hunden bellen

22. Steinbecker Triathlon-Festival, Steinbeck (+++ NRW-Liga +++)

Ich versuchte möglichst lässig zu wirken.
Erfahren. Abgekocht.
Wahrscheinlich gelang es mir nicht.
Wahrscheinlich stand ich vielmehr wie ein hibbeliges Vorschulkind neben meinem Rad.
Und wartete.
Denn natürlich war ich viel zu früh vor Ort gewesen.
Die Personalsituation in unseren oberen Ligamannschaften war nach wie vor „angespannt“.
Milde ausgedrückt.
Und so kam es, dass Gregor tatsächlich mich für die 1. Mannschaft angefragt hatte.
Die ersten beiden Male hatte ich noch mit Verweis auf die Hochzeit meiner Cousine dankend abgelehnt.
Aber nachdem ich erfuhr, dass wir in der NRW-Liga auf einem Abstiegsplatz standen, sagte ich schließlich doch zu.
Insgeheim war ich natürlich schon Stolz wie Bolle.
Ich. In der NRW-Liga.
In meinem 6. Wettkampf überhaupt.
Darüber kommt bereits die 2. Bundesliga.
Der Wahnsinn!
Ob Jörg das letzte Woche in Kamen bereits geahnt hatte?
Trotzdem… die Trauung am Vortag hatte ich zwar miterlebt – aber die eigentliche Hochzeitsfeier mit allen Freunden (will sagen: Das Gelage) hatte ich verpasst.
Leider.
Doppelt gut wollte ich darum heute auch sein. Damit sich das Opfer doppelt lohnt!

Gert, Dirk und Matthias würden heute meine Teamgefährten sein.
Nachdem unser Team komplett war, richteten wir gemeinsam unsere Wechselzone ein und machten uns Startklar.
Gerade als sich so ziemlich alle Ligastarter in die Neoprenanzüge zwängten, rief eine freundliche Stimme mit merkbarem Lachen: „Ey, was zieht ihr euch denn jetzt schon die Neos an? Bis zum Start geht ihr doch hoch wie die HB-Männchen!“
Andreas Niedrig schob sein Rad an mir vorbei und parkte sich mit einem breiten Lachen im Gesicht direkt neben mir.
Aus dem anderen Ende der Wechselzone rief ihm jemand zu: „Start ist doch schon in 10 Minuten!“, worauf Andreas kurz inne hielt und mit einem noch breiterem Lachen: „Ja dann… ziehe ich mir mal lieber meinen Neo an!“ antwortete.
Gemeinsam gingen wir kurz darauf zum Kanal und ließen uns zu Wasser.
Ich sortierte mich direkt ganz hinten bei den Oberligisten ein, der Rest vom Fest kabbelte sich vorn direkt an der Startlinie.
Dann fiel der Startschuss und die Prügelei ging los!

Es ist scheinbar egal in welcher Liga ich starte, ich werde irgendwie immer vorletzter beim Schwimmen… Diesmal überholten mich sogar die Oberligisten.
Nur einen einzigen NRW-Ligisten konnte ich auf der Schwimmstrecke knapp hinter mir lassen. Aber diesen einen habe ich innerlich gefeiert wie einen Gesamtsieg!
Andreas Niedrig nahm mir bereits auf der Schwimmstrecke fast 8 Minuten ab.
Nur mal so als Vergleich.
26:27min für 1500m im Kanal sind für meine Verhältnisse aber noch ganz annehmbar. Trotzdem ist der Schwimmkurs quasi bereits gebucht!

Auf dem Rad, meiner offensichtlichen Stärke, gabs zum Einstand jeder der 3 Runden erstmal einen knapp 700m langen und mit ca. 10% auch nicht soo lässigen Anstieg.
Ehrlich gesagt, war das eine fiese Kante.
Nach dem Anstieg ging es wellig weiter, zum Teil im Gegenwind und obwohl ich mich wirklich nicht schonte, ließ die erste Überholung eines direkten Liga-Konkurrenten bis zum Beginn der 2. Runde auf sich warten. Also packte ich noch ein Schippchen drauf und flog mit 70 Sachen durch die Kurven bergab, wobei ich auch das ein oder andere zivile Auto im Seitenstreifen überholen musste, da die 50km/h Limit hatten…
Zwei meiner Vereinskollegen (Gert und Dirk) erreichte ich dann auf den letzten Drücker kurz vorm Ende der Radstrecke.
Reicht meine „Radperformance“ in der Regionalliga aus, um mich deutlich im vorderen Drittel auf den Abschließenden Lauf zu entlassen, so befand ich mich heute irgendwo im Mittelfeld.
Aus Erfahrung wusste ich aber bereits, dass ich als eher durchschnittlicher Läufer jetzt wieder ein Stück weit nach Hinten durchgereicht werden würde.
Ich durfte also keine Zeit beim Wechsel verlieren.
Völlig überhastet vollzog ich T2 – und vergaß meine GPS-Uhr am Rad…

Gert holte mich nach wenigen Minuten beim Laufen mit den Worten „Du bist ja ne Waffe auf dem Rad!“ wieder ein und zog von Dannen.
Knapp 500m konnte ich mich an seine Fersen heften, aber das Tempo würde ich niemals bis ins Ziel durchhalten können. Nichtmal bis zur Hälfte!
Mein Gott, ist der Kerl flott!
Am Getränkestand versorgte ich mich daher erstmal anständig mit Cola und einem Schwamm. Ich musste mein Rennen laufen, nicht seines.
Jedoch, ohne Pulsuhr irrte ich ‚blind‘ durch alle Pace-Bereiche, da die NRW-Ligisten allesamt arg schnell waren, die Oberliga-Ligisten aber arg … nicht-so-schnell.
Nachdem ich mich streckenweise von einer Yacht im Mittellandkanal pacen ließ, erreichte mich beim Anstieg der letzten Brücke auf der 2. Runde auch Dirk.
Bis auf die andere Seite des Kanals hielt ich mit, danach musste auch Dirk „aufgeben“ – bis es in meinem Kopf „klick“ machte.
Keine Ahnung was in solchen Momenten in mir vor sich geht. Aber manchmal kommt dieses „klick“ und eine Woge aus Kraft und Energie durchströmt mich.
Meter für Meter kam ich wieder an Dirk heran, setzte mich vor ihn.
Er zog seinerseits mit und so pushten wir uns nochmal gegenseitig bis ans absolute Limit und liefen schließlich auch mit nur 1 sek Unterschied ins Ziel, wo Matthias und Gert bereits warteten!

Meine Feuerprobe in der NRW-Liga hatte ich also recht erfolgreich bestanden, auch wenn ich mich natürlich selbst am Meisten darüber ärgerte, dass ich mir durch die vergessene GPS-Uhr den Lauf so gar nicht einteilen konnte… was ich auch offen kundtat.
Irgendwann kam das Thema auf die Radstrecke und plötzlich sagte einer der Drei zu mir:
„Ich dachte noch bei mir ‚Wenn er jetzt nicht kommt, dann kommt er gar nicht mehr‘ und dann hat es *ZWUUUSCH* gemacht…“
„Ach komm‘ jetzt übertreibst du aber.“, entgegnete ich.
„Du bist da mit einem Tempo an mir vorbei, dass ich dachte ich stehe.“
„Da gings ja auch bergab.“, hielt ich weiter dagegen, „Will noch jemand ‚en Bier?“
Allgemeines Nicken. Als ich schließlich zum (Alkohol-)Freibierstand schlenderte, um für uns alle eine Erfrischung abzugreifen, hörte ich noch wie sich die anderen Drei weiter unterhielten:
„Es hat *ZWUUUSCH* gemacht! Und ich hatte selbst über 50 Sachen drauf!“
„Ja, für einen Moment hatte ich noch überlegt, ob ich mich an ihn heften sollte. Aber der war so schnell vorbei. Keine Chance.“
„Ist der wirklich so gut?“
„Gut? Ich bin noch nie – noch niemals – bei keinem meiner Rennen – und von keinem anderen – nichtmal von Chris McCormack auf Hawaii – so auf dem Rad überholt worden wie von ihm heute!“

…Ihr könnt euch ja denken, dass ich in diesem Moment der glücklichste kleine Triathlet auf Gottes weiter Welt war.

Als Team konnten wir uns mit 1 Platzziffer Vorsprung Platz 14 erarbeiten.
Vielleicht hat sich das Opfer im Abstiegskampf also doch gelohnt.
Wollen wir es hoffen.

Bleibt mir noch mich ganz herzlich bei meiner Cousine Sabine und ihrem Ehemann Thorsten sowie meinen drei tollen Vereinskollegen zu bedanken!

Euer Karsten

Der Wettkampf in Zahlen:

NRW-Liga, Steinbeck (1,5 / 40 / 10,4)

Team ASV Köln: Platz 13/18

Matthias: 2:10:17h, Platz: 42
Gert: 2:10:39h, Platz: 44
Dirk: 2:12:49h, Platz: 53

Karsten: 2:12:50h, Platz: 54
S: 0:26:25h (52,8sek/50m)
T: in "B"
B: 1:04:34h (37,11km/h)
T: in "B"
R: 0:41:51h (4:01min/km)

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