Jetzt schlägts aber 197!

Nicht zur Nachahmung empfohlen!

Mittwoch, 6 Juli 2011

Karsten hat heute Urlaub, denn heute findet das dritte Spiel der Fussball-Frauen-WM statt. Und da meine Arbeitszeiten oftmals recht unberechenbar sein können, wollte ich mal lieber kein Risiko eingehen.
Außerdem stehen ja endlich wieder regelmäßig Intervalle auf meinem Trainingsplan. Zum ersten mal, seit… gefühlten Ewigkeiten!
Der Juni war mit 3 Rennen so proppenvoll gepackt, dass an richtiges Tempotraining leider eh nicht zu denken war.

12 Uhr.
Die Sonne brannte mir aus ihrem Zenit heraus auf die Birne, die Luft hatte sich auf deutlich über 25 Grad erwärmt. Getrunken hatte ich kaum etwas.
Eigentlich ein Wahnsinnsunternehmen unter diesen Umständen hier und jetzt Intervalle zu laufen.
Ganz traditionell machte ich mich auf in Richtung Rheinufer, dann quer durch den fabulösen Neulandpark und schließlich dhünnaufwärts zum Sportpark.
Deutlich transpiriert bog ich auf den Zubringer des Dhünn-Speedway ein.
Hier tummelten sich, wie gewohnt, bereits einige Läufer. Eine bunte Mischung aller Alters- und Leistungsklassen, das Gros jedoch in relativ entspanntem Tempo.
Mir selbst wummerte ebenfalls nur durch die 3 Warmlaufkilometer der Puls durch Mark und Bein.

„Ey, du bist doch wahnsinnig bei diesen Temperaturen in der prallen Sonne die härteste Einheit im gesamten Trainingsplan anzugehen“, plöppte neben mir das Engelchen auf der Schulter.
Vorwurfsvoll sah es zu mir herüber.
Och nee, nicht die schon wieder!

Gegenüber plöppte es ebenfalls. Wie zu erwarten.
Das Teufelchen erschien und würde gleichfalls auf mich einreden.
Jedoch, es blieb unerwartet still – abgesehen von dem schnodderigen Geräusch eines Strohhalmes in Milchshake.
Engelchen und Kasi blickten zum Teufelchen, welches sich in einem Strandstuhl mit Sonnenschirmchen aalte.
Das Engelchen ereiferte sich weiter: „Siehst du?! Selbst dem Teufelchen ist das hier vieeel zu warm. Ich bin ja selten mit dem Kerl da einer Meinung, aber wenn dich hier der Herzkasper trifft, dann findet dich am Ende noch so ein Walker… wenn überhaupt!“, schnatterte es weiter auf mich ein.
Teufelchen schwenkte derweil ein „Engelchen Fan-Fähnchen“.
„Eyyy, jetzt sag DU doch auch mal was!“, brüskierte sich das Engelchen schließlich gegenüber dem Teufelchen.
Die Sonnenbrille auf die Nasenspitze geschoben, lukte dieses zu uns herrüber: „Ach waaaas, diese Walker sind doch super, also ich find die ganz sympathisch. Außerdem haben wir ja tatsächlich schon lange kein Tempotraining mehr gemacht!“
Engelchen schaute verdutzt. „Du bist doch sonst immer gegen jegliche Körperertüchtigung im Allgemeinen und Tempotraining im Besonderen….“
„Schon“, grinste das Teufelchen, „Aber entweder der Depp hört auf dich und lässt das Tempotraining sausen, dann hab ich gewonnen. Oder er sprintet gleich los und fällt tot um, dann hab ich ihn vernichtend geschlagen. Hier ist doch wirklich keine Sau, die Ahnung von erster Hilfe hat.“ und zu mir gerichtet: „Also, mein Großer: Deine Entscheidung!“

Die GPS-Uhr piepste.
Ich sprintete los, begleitet von einem „Yeehaaa!“ des Teufelchen.
Nach 200m schlug der 95%-Belastungsalarm meiner Pulsüberwachung an.
Einfach ignorieren…
Ich überholte nach und nach alle ‚Erholungsläufer‘ in gefühlter Schallgeschwindigkeit.
Weitere 300m später piepste die Uhr durchgehend: Maximalpuls erreicht!
Ich atmete schwer, schwitzte wie ein Schwein, aber versuchte trotzdem irgendwie nicht langsamer zu werden.
Vergebens.
Ich sterbe!
Wenn ich nicht SOFORT stehen bleibe, werde ich in den Graben kippen.
Niemand wird mich finden.
Weiter ging es, dem Flusslauf in einer Linkskurve folgend.
Langsam tauchte vor mir das Stadion auf.
Davor standen wie an einer Perlenkette aufgereiht: 14 Krankenwagen.
Oh welch‘ wunderbarer Anblick!
Jetzt war es egal, wenns mich aus den Laufsocken haut, denn das Fachpersonal hatte mich ebenfalls bereits erspäht.
Genau neben einem Sanni, der im Schatten seines Fahrzeuges auf einem Campinghocker einen Apfel aß, endete mein Intervall.
Er sah auf: „Hörrens, wat biste esu ruut em Jesicht?“
Ich zwinge mir ein freundliches Lächeln auf und tippe auf das Kopftuch: „Et is wärm.“
Der Sanni beißt von seinem Apfel ab, „Och… Et jeht.“

Neben mir plöppte das Engelchen auf und sah mich vorwurfsvoll an: „Gehts dir jetzt besser?“
Genau genommen… Nein.
Und klug wars irgendwie auch nicht.
Engelchen deutet auf meine Uhr: „Puls 197… Einhundertsiebenundneunzig!!! Und das wegen 1000m in lausigen 3:50min. Über 30 Sekunden langsamer, als gewohnt…“
Vorwurfsvoll sah es mich an.

Für die restliche Einheit reihte ich mich zwischen den langsamen ‚Gesundheitsläufern‘ ein.
Manchmal muss man eben einfach vor dem Wetter kapitulieren.

Zu Hause korrigierte meine MaxHF von 193 auf den neuen Wert, bevor ich mich für das Fussballspiel umzog.
Es hatte inzwischen deutlich abgekühlt und begann zu nieseln.

Scheiß Timing!

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