Donnerstag, 19. Januar 2012

Projekt XX: StrongmanRun 2012

Tag: 107 / 59. Trainingseinheit
Wetter: 7°C und Nieselregen, leicht böhiger Wind

19:30 Uhr.
Ruhetag sei dank: Ich spüre einen Teil meiner Beine wieder.
Sie frieren.
Leider liegt in der Nähe meiner Wohnung (abgesehen von der Mülldeponie) keine nennenswerte, geologische Erhebung, darum muss ich mal wieder zu einem kleinen Trick greifen:
Ich renne den Rheindamm hoch und runter, und hoch und runter, und hoch und… so weiter.

Dabei geht es erst ca 200m auf Rheinniveau geradeaus, es folgt eine fast 180° Spitzkehre am Fuße des Dammes, gefolgt vom „Herzstück“ dieser Trainingsstrecke: einer gut 95m langen Steigung mit unerbittlichen 810 Höhenzentimetern.
Nach weiteren 120 Metern geht es abermals scharf rechts und eine lange Treppe wieder hinunter, zurück zum Ausgangspunkt.

Eine Runde hat also ungefähr: 460m Länge, 8.1 Höhenmeter (rauf) und 54 Stufen (runter).

16 Runden habe ich mir für heute vorgenommen, das ergibt 7.36km, 129.6 Höhenmeter und 864 Stufen.
Zuzüglich Warmlaufen und Heimweg.

Als ich den Fuss der besagten Treppe passiere, drücke ich auf die „Lap“-Taste der Uhr.
Das Training beginnt.
Die erste Runde läuft sich erfahrungsgemäß flüssig.
Auf dem Geradeausstück über 2 große Pfützen springen, in der Ferne leuchtet der Himmel hell auf.
Das wird das Bayerwek in Dormagen sein. Vor der Spitzkehre ein Schulterblick nach hinten, dann mit Vollgas „bergauf“, vor der Treppe kurz Tempo raus. Auf der Mitte der Treppe leuchten mich die Autos auf der Abfahrt der A1 an. Ignorieren. Am Fuße der Treppe, erneut die „Lap“-Taste und zurück auf Anfang.

Runde 01 - 2:09 min
Runde 02 - 2:11 min
Runde 03 - 2:12 min
Runde 04 - 2:14 min
Runde 05 - 2:12 min

Runde 6 sollte eigentlich eine von zwei „Erholungsrunden“ sein. Aber auf dem iPod legte gerade Sum41 so richtig los. Wie kann man da nur langsam laufen?
Also weiter mit Schmackes!
Beherzte Sprünge über die beiden Pfützen. Hey… leuchtet dort hinten nich das dormagener Bayerwerk?
Vor der Spitzkehre ein kurzer Schulterblick zur Seite, dann mit Kraft den Berg hinauf, oben etwas langsamer, um wieder zu Atem zu kommen. Dann die Treppe runter. Irgendwas blendet mich von der Seite, ist das ein Radfahrer?
Ne… nur die Autos auf der A1. Unten angekommen hämmert mein Daumen auf die „Lap“-Taste.
Weiter gehts!

Runde 06 - 2:14 min
Runde 07 - 2:15 min
Runde 08 - 2:19 min
Runde 09 - 2:18 min
Runde 10 - 2:17 min

Sum41 waren längst verstummt und auch das folgende Lied von Deadmau5.
Soll man da etwa eine Erholungsrunde einlegen?
Nix da!
Angetrieben von „Underworld – Cowgirl“ starte ich abermals vom untern Treppenabsatz los.
Die erste Pfütze überspringe ich, die zweite ist ja eigentlich gar nich sooo tief.
In der Ferne leuchtet der Himmel – keine Ahnung was das abgeht.
Meine rechte Hand mit der Taschenlampe fuchtelt wild in der Gegend herum, als ich die Spitzkehre ohne Schulterblick scharf schneide. Dieser Berg ist wahrlich nicht ohne. Oben angekommen bin ich jedenfalls mehr und mehr außer Atem.
Sicherlich die dünne Höhenluft. Das gibt Hämatokritwerte, die sich gewaschen haben!
Ich wanke auf die Treppe zu und beginne einen unkoordinierten Abstieg. Irgendwas blendet mich tierisch, sodass ich um ein Haar stürze.
Unten angekommen beschließe ich: Runde 13 wird die wohlverdiente „Erholungsrunde“.

Runde 11 - 2:16 min
Runde 12 - 2:15 min
Runde 13 - 2:28 min

Warum?!
Nennt mir auch nur einen guten Grund warum ich mich die letzten 3 Runden wieder so dermaßen abplacken soll?!
Für die lächerlichem 12 bis 15 Sekunden Zeitunterschied…
Das sind hochgerechnet pro Kilometer gerade einmal 25 bis 35 Sekunden.
Umgeschlagen auf ein 10km-Rennen sind das … FAST 6 Minuten ?!
Am Fuße der Treppe starte ich durch.
Das kühle Nass der Pfützen erquickt meine geschundenen Waden, den Blick habe ich stur auf den Boden vor mir gerichtet.
Keine Ahnung ob dieses hellorange Leuchten noch am Himmel zu sehen ist.
Mir auch egal.
Meine Hand rudert wild in der Luft, beschreibt nahzu komplette, senkrechte Kreise.
So sehen mich alle vor und hinter mir, die Hasen im Gras unter mir und etwaige Radfahrer auf der Rheinbrücke über mir, wie ich in der Spitzkehre fast vor ein Schild renne.
Nahezu senkrecht türmt sich vor mir der Damm auf. Ich erklimme ihn todesmutig.
Mein Atem klingt nach trockenem Asthma, mit wackeligen Schritten nähere ich mich der Treppe, beinahe stolpere ich über meine Beine. Unten angekommen überfgährt mich fast ein Radfahrer – hatte seine Lampe für ein Auto auf der A1 gehalten…

Runde 14 - 2:15 min
Runde 15 - 2:18 min
Runde 16 - 2:02 min

Auf dem Rückweg steigere ich langsam das Tempo auf 4:30min/km.
Meine Beine brennen kaum noch, die Atemfrequenz hat sich normalisiert.
Es hat aufgehört zu regnen, die Luft ist klar und kühl.

In diesem Augenblick bin ich der glücklichste Mensch auf Erden!

Trainingsbilanz: 11.53km - 56:10min - 4:52min/km
Begegnungen: Keine

Erkenntnis des Tages:

Das Leben ist wie Bergtraining – Ein Kreislauf mit Höhen und Tiefen.

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