Dienstag, 7. Februar 2012

Projekt XX: StrongmanRun 2012

Tag: 126 / 2. Ausfalltag
Wetter: Kalt. Sehr Kalt... aber sonnig, wenigstens.

Der Wecker klingelte mich unsanft aus den Federn.
Die Nacht von Sonntag auf Montag war dank Superbowl mit 3 Stunden recht kurz gewesen. Ausschlafen tat also eigentlich Not, aber ohne Termin zum Doc… da muss man halt in den sauren Apfel beißen und früh aufstehen.
Leider hatte ich vor einiger Zeit mal diese Krankenkassen-Vereinbarung abgeschlossen, die den Hausarzt wieder mehr ins informative Zentrum rücken sollte.
Der Vorteil daran war, dass ich von Zeit zu Zeit einen „ganz tollen super-duper-Bonus“ bekäme. Glaube ich.
Aber der Preis dafür war, dass ich von nun an jeden pissflitschigen Mist mit eben meinem Hausarzt absprechen musste, damit er meine Krankenakte für die Krankenkasse auf Vordermann halten kann.
… das Wörtchen „Krank“ kommt mir eigentlich bereits jetzt schon erheblich zu oft in diesem Artikel vor!

Langer Rede kurzer Sinn: Direkt zum Orthopäden is nich!
Erst brauche ich eine Überweisung vom Hausarzt.
Das ist doppelt doof, denn der Hausarzt öffnet um 8:00 Uhr, der Orthopäde erst um 8:30 Uhr.
30 Minuten wertvoller Schlaf!
Punkt 8:03 Uhr stehe ich vor der Tür meines Docs – und kehre wieder um.
Erstmal zur Bank, nen Zehner holen.
8:10 Uhr.
Zweiter Versuch startet super. Rosie, zeitlose Arzthelferin, kassiert mich ab, bongt mich ins System und dirigiert mich erstmal ins Wartezimmer.
Mir schwant böses.
Langsam öffne ich die Tür und tatsächlich: Lauter kranke Menschen!
Noch dazu sind die 5er-Sitzbänke zu 90% ausgelastet. Es ist noch genau 1 Platz frei.
Ein Außenplatz. Wenigstens etwas.
Was mache ich eigentlich hier?
Ich bin nicht krank – ich bin verletzt.
Ein Sportinvalide. Kriegsversehrter Heimkehrer von der Laktat-Front.
Um mich herum hustet und keucht alles munter drauf los.
Hand vorn Mund?!
Fehlanzeige.

Glücklicherweise leeren sich meine Bank und die rechts von mir besonders schnell.
Die Bank rechts von mir ist komplett leer, die beiden Plätze neben mir ebenfalls.
Eine junge, recht ansehnliche Frau betritt das Zimmer, grüßt.
Ich mustere sie kurz: Blonde, kurze Haare. Eigenwilliger Look. Scheinbar nichts von der Stange.
Gefällt.
Sie setzt mich neben mich – und hustet.
Och nee, ey. Sie kennt die goldenen Sitzregeln im Wartezimmer nicht!
Ich verdrehe innerlich die Augen.

Ok, hier ein Auszug aus dem WzGbfP (Wartezimmer-Gesetzbuch für Patienten)

§1: Sitzreihen müssen immer aus einer ungeraden Anzahl aus Stühlen bestehen, da
§2: Immer ein Platz zwischen 2 Patienten frei zu bleiben hat. (Kinder spieln eh auf dem Boden.)
§3: Wenn man das Wartezimmer betritt hat man sich gefälligst einen Platz auszusuchen, der
§3a: Größtmöglichen Abstand von allen anderen Patienten ausnutzt und dabei
§3b: Möglichst nicht die „1 Platz besetzt – 1 Platz frei“-Regel unterbricht, denn
§3c: Nur im äußersten Notfall setzt man sich direkt neben einen anderen Patienten.

Neben mir hustet es wieder trocken.
Bazillenschlam…schleuder, dreckelige!

Der Doc ruft über die Sprechanlage einen weiteren Patienten auf: „Herr Barthe°, bitte Sprechzimmer 2“, es knackt kurz, „So… Guten Morgen, Herr Klönnies. Erzählen Sie ruhig.“
Herr Klönnies erzählt gequält von seiner Kücheneinrichtung. Er mag nicht mehr zu Tisch essen, denn sein Stuhl sei zu hart… Es knackt abermals in der Leitung. Herr Klönnies verstummt.

Endlich bin ich an der Reihe.
Raus! Nur raus aus diesem Brutbecken der Viren und Bakterien!
Der Doc tippt kurz in seinem PC, ruft einen weiteren Patienten per Sprechanlage in ein anderes Wartezimmer und wendet sich dann mir zu.
Ich kontrolliere mit einem Seitenblick, ob die Lampe der Sprechanlage auch wieder verloschen ist.
Ist sie.

Nachdem der Doc sich meine umfassende, kurze aber detailgeträue Schilderung der Beschwerden-Entwicklung seit Samstag angehört hatte, die eine Anamnese übrigens mehr als überflüssig machte *schulter klopf*, überlegte er kurz und kam dann zu dem Schluss: Da soll mal ein Orthopäde drauf gucken!
„Ach ne… Aber gut, dass wir uns einig sind“, denke ich mir.
Der muss das wahrscheinlich röntgen, vielleicht auch unter Umständen minimal-invasiv reinschauen, orakelt mein Hausarzt.
Denkste!
Der Mann hat echt was auf dem Kasten, warts mal ab. Er hat meine Kniebeschwerden damals so dermaßen ratzfatz diagnostiziert. Und Seine Behandlung bestand aus einem kleinen Zettelchen mit den 5 handschriftlichen Wörtern ‚Herbert Steffny – Das große Laufbuch‚ und einem mündlichen Gebot:
„3 Wochen absolutes Laufverbot. In der Zeit liest du das Buch und lernst die Dehn- und Stabiübungen darin. In 2 Monaten sehen wir uns wieder.“

Ich bekomme meine Überweisung für den Orthopäden und ein Rezept für die sympthomatische Schmerzbehandlung.
Sprich: Die Tablette beseitigt den Schmerz, aber nicht die Ursache.
Naja, vielleicht kann die ja ein Kolle… ähm… Nehme ich natürlich alle trotzdem brav!

9:50 Uhr beim Orthopäden im leverkusener „Gesundheitshaus“:

Die Praxis ist bereits über eine Stunde geöffnet, ich habe auf einem kleinen Abstecher noch mein Buch eingepackt.
Das wird dauern. Ganz gewiss.
Ich betrete den Wartebereich.
Alle Stühle leer.
Niemand am Tresen.
Die Praxis ist doch nicht etwa geschlossen?
Kurz huscht Aischa, eine der Arzthelferinnen durch den Gang.
Geöffnet. Zum Glück.
Kurz krame ich die Kamera raus und filme das legendärste Bild, welches jemals den Weg in ein Wartezimmer gefunden hat.
„Zeit heilt alle Wunden – Darum muss man beim Arzt auch immer so lange warten!“
Wer diese Praxis kennt, weiß: Normal ist kein regulärer Termin unter 8 Wochen Wartezeit zu bekommen!

Aischa fragt kurz nach meinen Beschwerden und zu welchem Doc der Gemeinschaftspraxis ich möchte.
Ich erkläre mich und mein Anliegen und komme, nach kurzem Smalltalk, tatsächlich direkt an die Reihe.
Die Kamera hatte ich wieder in die Jackentasche gesteckt und an der Garderobe aufgehangen.
Ein Fehler, den ich noch immer bereue!

Auftritt, Wunderdoc.
Er duzt mich direkt, herrlich so muss das sein. Professionell, aber menschlich!
Ich sage nur: „Ja, also nach dem Training habe ich im Fuss…“
„Was trainierst du genau?“
„Schwimmen und Spinning, aber hauptsächlich Laufen“.
„Joggen?“, fragt er.
„Laufen.“, antworte ich.
„Ah, ein Ambitionierter, schön schön.“, grinst der Doc, „Zeig mal deinen Fuß“.
Ich ziehe Schuh und Socke aus, reiche ihm meinen Fuß und will gerade wieder mit meiner Schmerzbeschreibung beginnen, als er mich abermals unterbricht.
„Jetzt lass mich doch erstmal lesen was da steht.“, Doc deutet auf mein Tattoo. „Ah, das ist wohl die Motivation ab Kilometer 22?“, schmunzelt er.
„Sowas in der Art.“, lache ich. … und bin froh, dass seine Rechtschreibkenntnisse wohl ebenso bescheiden sind wie meine damals.
Ich muss das unbedingt mal abändern lassen.

„Erzähl‘ mal, was haste für Beschwerden?“.
Ah, jetzt gehts los.
Ich spule meinen Text runter, der Doc hört zu; Meinen Fuss noch immer in der Hand.
„Jetzt lass den Fuss mal locker.“, er hielt seine Hand auf die Zehen und deutete mit der anderen Hand zur Wand, „Drück mal nach da.“
Höllische Schmerzen sprudelten aus dem Mittelfuss bis in die Wade hoch.
„Alles klar, das ist kein Problem. Sieh mal hier. Da verläuft eine Sehne von der Wade am Knöchel entlang zur Fuss-Seite und verschwindet hier. Die stabilisiert den Fuss. Haste dir ungefähr hier…“, er drückte auf einen Punkt und es flimmerte mir vor Augen, „… gereizt.“
Da bekommste jetzt eine Spritze rein, dass du erstmal den Tag überstehst. Musst ja noch zur Apotheke und nach Opladen. Bekommst nämlich auch neue Einlagen.“
Er zückte eine eigentlich kleine Spritze und steckte sie meinen Fuss. Bis dahin alles klasse.
Dann drückte er zügig den Kolben durch und mein Fuss quoll unter der Haut dermaßen schnell an, dass ich dachte „Nu platzt er“.
Natürlich wollte ich mir vor Aischa keine Blöße geben, blieb tapfer bei Bewusstsein, bestaunte aber innerlich den schönen Sternentanz vor meinen Augen und knüllte unbewusst das Rezept für meine Einlagen auf Konfetti-Größe zusammen.
Mein inneres Ich verließ kurz meinen Körper und direkt kam mir ein Vergleich in den Sinn: ‚Wo ist Fred?‘
Genau so wie in dieser Szene muss ich auch ausgesehen haben: Da ist es noch sensibler!

„Keine Sorge, hast mich ja gleich überlebt.“, der Doc wirft mir einen kurzen Blick zu, „In 4 Wochen kommste nochmal vorbei. Bis dahin musst du dich aber ein wenig zügeln mit dem Lauftraining. Am Besten verminderst du die Umfänger erstmal. Schwimmen und Stabis sind kein Problem. Aber fürs Spinning solltest du nochmal nach professioneller Hilfe suchen, das war nämlich wahrscheinlich die Hauptursache.“, Doc hielt kurz inne und grinst breit, „Der Contador, der müsste doch jetzt genug Zeit haben, frag den doch mal!“

Ich bereute es so dermaßen, dass ich die Kamera an der Garderobe habe hängen lassen. Dieses Gespräch, das Bild des aufquellenden Fußes… Das wäre Gold für den Film gewesen. Ich Torfnase!

Der restliche Tag verlief wieder halbwegs „normal“. Bei OrthoLev die Füße vermessen lassen, das habe ich übrigens wieder gefilmt, und die Painkiller in der Apo abgeholt.
Noch eine Kleinigkeit kochen und jetzt hocke ich hier und schreibe gerade den Eintrag.
Ach ja: Die Zusammenfassung der letzten Woche muss ich noch an den Sonntagsbeitrag tackern…

(°Alle Namen geändert!)

Tagesbilanz: Hausarzt, Orthopäde, Orthopädie-Fachgeschäft, Apotheke
Begegnungen: 1 Läufer, diesmal beruflich als Orthopäde. Viele nette Arzthelferinnen!

Erkenntnis des Tages:

Ich hätte es filmen sollen!

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